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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Häusern herauszukommen wagten, fand man keine anderen Spuren als ein paar Blutlachen auf dem Pflaster. Mehr als zwanzigtausend Neugierige besuchten tagsüber jene Straße. Die italienischen Städte sind an sonderbare Schauspiele gewöhnt, aber immer erfährt man das Warum und das Wie. Was Parma bei diesem Vorkommnis verblüffte, das war, daß niemand, auch nach vier Wochen nicht, als dieser Fackelzug nicht mehr den einzigen Gesprächsstoff bildete, imstande war, den Namen des Nebenbuhlers zu erraten, der Fausta dem Grafen Martinengo hatte abspenstig machen wollen. Das war der Umsicht des Grafen Mosca zu danken. Der eifersüchtige und rachedurstige Verliebte hatte zu Beginn des Festzuges die Flucht ergriffen; Fausta war auf Befehl Moscas in die Zitadelle gesperrt worden. Die Duchezza lachte herzhaft über diese kleine Ungerechtigkeit, die sich der Graf erlauben mußte, um die Neugier des Fürsten irrezuführen, da dieser sonst unserem Fabrizzio auf die Spur gekommen wäre.
    Es hielt sich damals in Parma ein Gelehrter auf, ein Nordländer, der eine Geschichte des Mittelalters schreiben wollte. Er durchstöberte die Handschriften der Bibliotheken, und der Graf hatte ihm weitgehende Befugnisse gewährt. Dieser noch jugendliche Gelehrte war nun sehr jähzornig; zum Beispiel argwöhnte er, in Parma wolle sich alle Welt über ihn lustig machen. Allerdings liefen ihm zuweilen die Gassenjungen nach wegen der knallroten Riesenperücke, die er stolz zur Schau trug. Er argwöhnte, man verlange ihm in seinem Gasthof für alle Dinge erhöhte Preise ab, und bezahlte nicht die geringste Kleinigkeit, ohne den Preis im Reiseführer einer Mrs. Starke nachzuschlagen, der die zwanzigste Auflage erreicht hatte, weil er den vorsichtigen Engländern den Preis eines Truthahns, eines Apfels, eines Glases Milch genau angab.Der Gelehrte mit der roten Mähne war am nämlichen Tage, als Fabrizzio jenen unfreiwilligen Umzug machte, in seinem Gasthof wütend geworden und hatte aus seiner Tasche ein Paar kleine Pistolen gezogen, um sich am Kammerdiener zu rächen, der für einen mäßigen Pfirsich zwei Soldi verlangte. Man nahm ihn fest, denn das Tragen kleiner Pistolen ist ein großes Verbrechen!
    Da dieser jähzornige Gelehrte lang und mager war, kam der Graf am anderen Morgen auf den Einfall, ihn dem Fürsten als jenen Missetäter hinzustellen, der bei seinem Unterfangen, Fausta dem Grafen Martinengo zu entführen, zum Narren gehalten worden sei. Auf das Tragen von Taschenpistolen steht in Parma eine Strafe von drei Jahren Zuchthaus, aber sie war niemals verhängt worden. Nach vierzehn Tagen Untersuchungshaft, in denen der Gelehrte keinen Menschen zu sehen bekommen hatte außer einem Advokaten, der ihm fürchterliche Angst machte vor den harten Gesetzen, die die Machthaber in ihrer Angst gegen das Tragen verborgener Waffen erlassen hatten, erschien ein anderer Advokat im Gefängnis und erzählte ihm von dem Umzug, durch den sich der Graf Martinengo an einem unbekannt gebliebenen Nebenbuhler gerächt hatte. Der Polizei sei es unangenehm, dem Fürsten einzugestehen, sie habe nicht herausbekommen können, wer jener Nebenbuhler gewesen sei. »Gestehen Sie, Sie hätten der Fausta ein Vergnügen bereiten wollen; als Sie unter ihren Fenstern gesungen hätten, wären Sie von fünfzig Wegelagerern überfallen und eine Stunde lang in einer Sänfte umhergetragen worden, ohne daß Ihnen irgend etwas anderes als Ehrenbezeigungen erwiesen worden seien. Dieses Geständnis hat gar nichts Demütigendes: man wird Sie ganz kurz verhören. Sofort nach dem Geständnis werden Sie einen Geleitbrief erhalten. Man wird Sie in eine Postkutsche setzen und an die Grenze fahren, wo man Ihnen guten Abend wünschen wird.«
    Vier Wochen lang sträubte sich der Gelehrte. Zweidreimalwar der Fürst nahe daran, sich ihn im Ministerium des Inneren vorführen und in seiner Gegenwart vernehmen zu lassen. Aber schließlich dachte er schon nicht mehr daran, als der Historiker sich aus Langerweile entschloß, alles zu gestehen. Er ward über die Grenze abgeschoben. Serenissimus blieb zeit seines Lebens bei dem Glauben, der Nebenbuhler des Grafen Martinengo sei ein verrückter Kauz mit roten Haaren gewesen.
    Drei Tage nach dem Umzug erfuhr Fabrizzio, der sich in Bologna verborgen hielt und mit Hilfe des treuen Ludovico Erkundigungen nach dem Grafen Martinengo angestellt hatte, daß dieser sich in einem Gebirgsdorf an der Straße nach Florenz ebenfalls verborgen halte. Der Graf habe nur

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