Die Kartause von Parma
drei seiner Buli bei sich. Wiederum einen Tag später wurde der Graf, gerade als er von einem Spaziergang heimkam, von acht maskierten Männern, die sich für Schergen von Parma ausgaben, überfallen. Nachdem man ihm die Augen verbunden hatte, schleppte man ihn in eine Herberge, zwei Meilen tiefer im Gebirge, wo man ihm alle möglichen Ehren erwies und ein sehr reichliches Abendessen vorsetzte. Man trug ihm die besten italienischen und spanischen Weine auf.
»Bin ich denn ein Staatsgefangener?« fragte der Graf.
»Nicht im geringsten«, antwortete ihm der maskierte Ludovico äußerst höflich. »Sie haben einen einfachen Privatmann beleidigt, indem Sie ihn einen Umzug in einer Sänfte haben machen lassen. Morgen früh will er sich mit Ihnen schlagen. Falls Sie ihn töten, werden Sie zwei gute Pferde bereit finden sowie Geld und vorbestellte Wechselpferde auf der Straße nach Genua.«
»Wie heißt der Raufbold?« fragte der Graf gereizt.
»Er nennt sich Bombaccio. Sie können Waffen und Sekundanten wählen, ganz wie es Brauch ist, aber einer von beiden muß fallen!«
»Das ist ja Meuchelmord!« rief der Graf entsetzt.
»Gott bewahre! Das ist ganz einfach ein Zweikampf auf Tod oder Leben mit dem jungen Manne, den Sie mittenin der Nacht durch die Straßen von Parma haben umhertragen lassen. Wenn Sie am Leben blieben, wäre er auf ewig entehrt. Einer von Ihnen beiden ist zuviel auf Erden. Versuchen Sie also, ihn zu töten! Sie können wählen zwischen Degen, Pistolen, Säbeln und jeglicher Waffe, die man innerhalb weniger Stunden auftreiben kann. Denn Eile ist geboten. Die Polizei von Bologna ist sehr flink, wie Sie wohl wissen; aber sie soll diesen Zweikampf nicht verhindern; es ist zur Wiederherstellung der Ehre des von Ihnen beleidigten Mannes unerläßlich.«
»Wenn aber dieser junge Mann ein Prinz ist?«
»Er ist ein einfacher Privatmann wie Sie und sogar weniger reich als Sie, aber er will sich auf Leben oder Tod schlagen und Sie zwingen, sich ihm zu stellen. Ich teile Ihnen dies mit.«
»Ich fürchte nichts auf der Welt!« rief der Graf.
»Das gerade ersehnt sich Ihr Gegner auf das leidenschaftlichste!« entgegnete Ludovico. »Halten Sie sich morgen in aller Frühe bereit, Ihr Leben zu verteidigen. Es wird von einem Mann angegriffen werden, der zu heftigem Zorn berechtigt ist und Sie nicht schonen wird. Ich wiederhole Ihnen, Sie haben die Wahl der Waffen. Und machen Sie Ihr Testament!«
Am anderen Morgen gegen sechs Uhr trug man dem Grafen Martinengo ein Frühstück auf; dann öffnete man eine Tür der Stube, in die er eingesperrt worden war, und ersuchte ihn, auf den Hof des ländlichen Gasthauses hinauszukommen. Dieser Hof war von Zäunen und Mauern von leidlicher Höhe umgeben; die Tore waren sorglich verschlossen.
In einer Ecke stand ein Tisch, an den zu treten man den Grafen einlud. Er fand darauf einige Flaschen Wein und Schnaps, zwei Pistolen, zwei Degen, zwei Säbel, Papier und Tinte. Einige zwanzig Bauern lagen in den Fenstern der Herberge, die auf den Hof hinaus gingen. Der Graf flehte sie um Mitleid an.
»Man will mich morden!« rief er aus. »Rettet mein Leben!«
»Sie irren sich oder wollen sich irren!« rief ihm Fabrizzio zu, der an der entgegengesetzten Ecke des Hofes an einem mit Waffen bedeckten Tisch stand. Er war in Hemdärmeln und hatte vor dem Gesicht eine Drahtmaske, wie man sie auf dem Fechtboden trägt.
»Ich fordere Sie auf,« fuhr Fabrizzio fort, »die Drahtmaske aufzusetzen, die auf Ihrem Tische liegt! Dann treten Sie mit einem Degen oder einer Pistole an! Wie man Ihnen gestern abend erklärt hat, können Sie die Waffen wählen.«
Graf Martinengo machte zahllose Schwierigkeiten und zeigte gar keine Lust, sich zu schlagen. Fabrizzio anderseits befürchtete, die Polizei könne dazwischenkommen, obgleich man im Gebirge, gut fünf Meilen von Bologna entfernt war. Schließlich schleuderte er seinem Gegner die gräßlichsten Beleidigungen an den Kopf. Endlich glückte es ihm, den Grafen Martinengo in Wut zu bringen. Er ergriff einen Degen und ging auf Fabrizzio los. Der Kampf begann ziemlich lässig.
Nach etlichen Minuten wurde der Zweikampf durch lauten Lärm unterbrochen. Unser Held hatte wohl erkannt, daß er sich in einen Handel einließ, der ihm zeit seines Lebens Vorwürfe oder zum mindesten verleumderische Anschuldigungen eintragen konnte. Deshalb hatte er Ludovico ausgeschickt, um Zeugen aufzutreiben. Ludovico hatte fremden Leuten, die im benachbarten Walde arbeiteten,
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