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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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von Höflichkeit wich mit einem Schlage von ihr. Das empörteWeib kam zutage, das empörte Weib, das sich einem Manne entgegenstellt, von dessen Unredlichkeit es überzeugt ist. Mit dem Ausdruck des leidenschaftlichsten Zornes, ja der Verachtung sagte die Duchezza, jedes einzelne Wort betonend: »Ich verlasse die Lande Eurer Hoheit für immer. Ich will nie wieder vom Großfiskal Rassi und den übrigen niederträchtigen Mordgesellen sprechen hören, die meinen Neffen wie manchen anderen zum Tode verurteilt haben. Wollen Serenissimus nicht Bitternis in diese letzten Augenblicke träufeln, die ich bei einem Fürsten verbringe, der liebenswürdig und geistvoll ist, wofern er nicht hintergangen wird, so bitte ich alleruntertänigst, mich nicht an jene elenden Richter erinnern zu wollen, die sich für tausend Taler oder um ein Ordenskreuz verkaufen.«
    Vor der bewundernswerten und vor allem überzeugten Kraft, mit der diese Worte ausgesprochen wurden, erschrak der Fürst. Einen Augenblick fürchtete er, zu erleben, daß seine Würde durch eine noch unmittelbarere Anklage bloßgestellt werde, aber im großen ganzen schlug seine Stimmung rasch in ein Behagen um: er bewunderte die Duchezza; in diesem Augenblick trug ihre Persönlichkeit den Stempel erhabener Schönheit.
    ›Großer Gott, wie ist sie schön!‹ sagte sich Serenissimus. ›Man muß wohl etwas nachgiebig sein vor einem solchen Prachtweib, das es in ganz Italien kein zweites Mal gibt. Nun, mit ein wenig Geschick wird es mir vielleicht gelingen, sie eines Tages zu meiner Montespan zu machen. Welch ein himmelweiter Unterschied zwischen ihr und dieser Zierpuppe, der Marchesa Balbi, die obendrein meinen armen Untertanen jedes Jahr mindestens dreimalhunderttausend Franken stiehlt. – Habe ich aber recht gehört?‹ fiel ihm plötzlich ein. ›Sie hat gesagt: ›meinen Neffen wie manchen anderen zum Tode verurteilt‹?‹
    Nun gewann der Zorn in ihm die Oberhand, und mit einer des höchsten Thrones würdigen Hoheit sagte ernach einigem Stillschweigen: »Und was müßte geschehen, damit die gnädige Frau nicht abreist?«
    »Eine Tat, deren Hoheit nicht fähig sind!« erwiderte die Duchezza im Tone bittersten Spottes und unverhohlener Verachtung.
    Serenissimus war außer sich, aber sein selbstbewußtes Herrscheramt hatte ihm die Kraft anerzogen, dem ersten Eindruck nicht nachzugeben.
    ›Ich muß dieses Weib haben!‹ sagte er sich. ›Das bin ich mir schuldig. Hinterher lasse ich sie in Verachtung sterben. – Wenn sie so aus diesem Gemach geht, sehe ich sie niemals wieder!‹
    Aber wie sollte er jetzt, berauscht von Zorn und Haß, das rechte Wort finden, um der Pflicht gegen sich selbst zu genügen und die Duchezza davon abzubringen, seinen Hof auf der Stelle zu verlassen? ›Eine Geste läßt sich weder berichtigen noch lächerlich machen‹, sagte er sich und trat zwischen die Duchezza und die Tür seines Arbeitszimmers. Da vernahm er ein leises Klopfen an dieser Tür.
    »Was für ein Hanswurst,« fluchte er mit Donnerstimme, »was für ein Hanswurst will mich mit seiner albernen Gegenwart belästigen?«
    Der arme General Fontana tauchte mit entfärbtem und gänzlich verstörtem Gesicht auf. Wie ein zum Tode Verurteilter stammelte er mühselig die Worte: »Seine Exzellenz der Graf Mosca bittet alleruntertänigst, vorgelassen zu werden.«
    »Er soll eintreten!« schrie Serenissimus, und als sich Mosca verbeugte, sagte er zu ihm: »Die Frau Duchezza di Sanseverina hier ist im Begriff, Parma zu verlassen und nach Neapel überzusiedeln. Obendrein sagt sie mir Grobheiten.«
    »Ich verstehe nicht«, erwiderte Mosca bleich.
    »Was? Sie wissen nichts von diesem Reiseplan?«
    »Nicht ein Sterbenswort! Als ich die gnädige Frau um sechs Uhr verließ, war sie lustig und guter Dinge.«
    Die Wirkung dieser Worte auf den Fürsten war unbeschreiblich. Zunächst blickte er Mosca an; dessen Blaßwerden bewies ihm, daß er die Wahrheit gesprochen und an dem tollen Streich der Duchezza keinen Anteil hatte. ›Dann verliere ich sie auf immer‹, sagte er sich. Vergnügen und Rachgier waren mit einem Male völlig von ihm gewichen. ›In Neapel wird sie zusammen mit ihrem Neffen Fabrizzio Epigramme auf den Riesengrimm des Zwergfürsten von Parma schmieden.‹ Er sah die Duchezza an. Die heftigste Verachtung stritt sich in ihrem Herzen mit dem Zorn; ihre Augen hafteten gerade auf dem Grafen Mosca, und die so feinen Linien ihres schönen Mundes verrieten die bitterste Geringschätzung. Ihr

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