Die Kartause von Parma
Dongo hat ihn am Tage seiner Einlieferung mit einer Backpfeife bedacht.«
Nachdem Serenissimus einmal im Fahrwasser war, fand die Audienz kein Ende. Zu guter Letzt bewilligte er seinem Großfiskal eine Frist von vier Wochen. Rassi wollte ihrer acht. Tags darauf empfing Rassi eine geheime Zuwendung von tausend Zechinen.
Drei Tage lang überlegte er; am vierten kam er zu einem Entschluß, der ihm einleuchtete: ›Erstens, nur Graf Mosca ist der Mann dazu, sein Wort zu halten, denn er mißt meiner Ernennung zum Baron keinen Wert bei. Zweitens,wenn ich ihn warne, erspare ich mir wahrscheinlich ein Verbrechen, auf das ich bereits eine kleine Abschlagszahlung bekommen habe. Drittens räche ich die ersten demütigenden Fußtritte, die der Ritter Rassi eingesteckt hat.‹ In der nächsten Nacht verriet er dem Grafen Mosca seine ganze Unterredung mit Serenissimus.
Graf Mosca machte der Duchezza heimlich den Hof. Allerdings sah er sie in ihrem Palazzo noch immer nur ein- oder zweimal im Monat; aber fast alle Wochen und wenn Mosca sonst eine Gelegenheit zu einem Gespräch über Fabrizzio zu finden wußte, kam die Duchezza in Cechinas Begleitung spät am Abend auf einige Augenblicke in den Garten des Grafen. Sie verstand es, selbst den Kutscher zu täuschen, obgleich er ihr treu ergeben war; er glaubte, sie mache einem benachbarten Hause Besuch.
Selbstverständlich gab der Graf nach der schreckensvollen Beichte des Großfiskals der Duchezza alsbald das verabredete Zeichen. Obwohl es mitten in der Nacht war, ließ sie ihn durch Cechina bitten, auf ein paar Augenblicke zu ihr zu kommen. Der Graf war über diese offensichtliche Vertraulichkeit entzückt wie eben ein Verliebter. Trotzdem zögerte er, der Duchezza alles zu sagen; er fürchtete, sie könne vor Schmerz wahnsinnig werden.
Nachdem er versucht hatte, ihr die verhängnisvolle Kunde durch Andeutungen beizubringen, erzählte er ihr schließlich doch alles. Er brachte es nicht übers Herz, ein Geheimnis vor ihr zu bewahren, wenn sie ihn darum bat. Seit neun Monaten hatte das grenzenlose Unglück auf ihre Feuerseele tief gewirkt und sie gestählt: die Duchezza brach weder in Tränen noch in Klagen aus.
Am folgenden Abend ließ sie an Fabrizzio das Zeichen höchster Gefahr signalisieren:
Es brennt im Schloß!
Er antwortete richtig:
Sind meine Bücher verbrannt?
In der nämlichen Nacht glückte es, ihm einen Brief ineiner Bleikugel zukommen zu lassen. Acht Tage später aber, bei der Hochzeit der Schwester des Marchesen Crescenzi, beging die Duchezza eine ungeheuerliche Unbesonnenheit, die wir an der richtigen Stelle berichten werden.
Einundzwanzigstes Kapitel
In der Zeit ihres Unglücks, ungefähr schon vor einem Jahre, hatte die Duchezza eine seltsame Bekanntschaft gemacht. Eines Tages, als die Luna sie anwandelte, wie man dortzulande zu sagen pflegt, war sie von ihrem Schlosse Sacca, das hinter Colorno auf einem Hügel über dem Po liegt, aufs Geratewohl hinausgewandert. Es machte ihr Freude, dieses Landgut zu verschönern; sie liebte den endlosen Wald, der das Hügelland krönte und bis an ihr Schloß reichte. Sie beschäftigte sich damit, Pfade nach den malerischsten Punkten anzulegen.
»Sie werden noch einmal von Räubern entführt werden, schöne Duchezza!« sagte Serenissimus eines Tages zu ihr. »Es ist unmöglich, daß ein Wald einsam bleibt, von dem man weiß, Sie gehen darin spazieren.« Der Fürst warf einen Seitenblick auf den Grafen Mosca, dessen Eifersucht anzustacheln er erpicht war.
»Ich habe keine Furcht, Serenissimus,« erwiderte die Duchezza in treuherzigem Ton, »wenn ich durch meine Wälder gehe. Mich macht der Gedanke sicher: ich tue niemandem etwas zuleide, wer sollte mich hassen?« Diese Antwort fand man kühn; sie erinnerte an gewisse hämische Bemerkungen im Munde der Liberalen des Landes, also unverschämter Leute.
An jenem Abendspaziergang im Walde kam der Duchezza die Warnung des Fürsten wieder in den Sinn, als sie bemerkte, daß ihr ein schlecht gekleideter Mensch von weitem folgte. Bei einer unerwarteten Wegbiegung näherte sich der Unbekannte derart, daß sie in Angst geriet. Imersten Schreck rief sie nach ihrem Gärtner, den sie tausend Schritt entfernt im Blumengarten des Schlosses wußte. Der Fremdling trat inzwischen dicht an sie heran und fiel vor ihr auf die Kniee. Es war ein auffällig schöner junger Mann, der nur abscheulich angezogen war. Seine Kleider hatten fußlange Risse, aber seine Augen atmeten das Feuer einer
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