Die Kartause von Parma
zurück,
Als stummer Geist die Einzige umschweben,
Die mir auf Erden gab des Himmels Glück!
Obwohl man in der Zitadelle von Parma von Fabrizzio nur wie von einem nichtswürdigen Verräter sprach, der die heiligsten Pflichten verletzt habe, war der gute Padre Don Cesare doch entzückt beim Anblick der schönen Bücher, die ihm von unbekannter Seite zugingen. Fabrizzio wandte nämlich die Vorsicht an, ihm erst etliche Tage nach der Büchersendung zu schreiben, aus Sorge, die Angabe des Absenders könne Veranlassung geben, daß das ganze Paket mit Entrüstung zurückgesandt werde. Don Cesare verschwieg diese Aufmerksamkeit seinem Bruder, den der bloße Name Fabrizzio in Wut versetzte, aber nach der Flucht hatte er mit seiner liebenswürdigen Nichte die ehemalige vertraute Freundschaft wieder hergestellt, und da er ihr früher ein paar Brocken Lateinbeigebracht hatte, so zeigte er ihr die schönen Bände, die er erhalten hatte. Das war die Hoffnung des Absenders gewesen. Plötzlich wurde Clelia über und über rot; sie erkannte Fabrizzios Handschrift. Lange, sehr schmale Streifen aus gelbem Papier staken in Ermangelung von Buchzeichen an verschiedenen Stellen des Bandes. Da nun inmitten der faden Geldangelegenheiten und der kalten Öde der Alltagsdinge, die unser Dasein erfüllen, Taten, die in wahrer Leidenschaft wurzeln, selten ihre Wirkung verfehlen, gleichsam als ob eine gütige Fee sie mit sorglicher Hand leite, so bat Clelia, von diesem Instinkt und von der Sehnsucht nach dem einen beseelt, ihren Onkel darum, das alte Exemplar des heiligen Hieronymus mit dem neuen vergleichen zu dürfen. Wie soll ich Clelias Entzücken schildern, als sie in all ihrer düsteren Schwermut, die Fabrizzios Fernsein über sie gebracht hatte, als Randbemerkung zum alten Sankt Hieronymus das besagte Sonett fand und das Tagebuch seiner Liebe zu ihr?
Gleich am ersten Tage konnte sie die Verse auswendig; sie sang sie an ihrem Fenster, gegenüber dem nun vereinsamten Fenster der Torre Farnese, wo sie so oft das Guckloch sich hatte öffnen sehen. Der Schirm war abgenommen worden, um vor Gericht als Beweisstück in dem lächerlichen Prozeß benutzt zu werden, den Rassi gegen Fabrizzio anstrengte. Er war angeklagt, verbrecherisch geflüchtet zu sein, oder, wie der Fiskal selber lachend sagte, weil er sich der Gnade eines hochherzigen Fürsten entzogen habe.
Alles, was Clelia unternommen hatte, ward ihr zum Gegenstand von Selbstvorwürfen, und seitdem sie unglücklich war, nahmen ihre Gewissensbisse an Heftigkeit zu. Sie versuchte diese Selbstanklagen zu beschwichtigen, indem sie sich an ihr Gelübde erinnerte, Fabrizzio nie wieder zu sehen, das sie der Madonna gegeben hatte, als ihr Vater halb vergiftet worden war, und das sie tagtäglich erneuerte.
Den General hatte Fabrizzios Entweichen krank gemacht; mehr noch, er hätte fast seinen Posten verloren, als Serenissimus in seiner Wut alle Gefängnisaufseher der Torre Farnese ihres Dienstes enthob und im Stadtgefängnis einkerkerte. Der General war davor bewahrt geblieben, zum Teil durch die Fürsprache des Grafen Mosca, der ihn lieber droben in seiner Zitadelle als sonstwo wissen wollte.
Vierzehn Tage schwebte nun schon die Ungnade über dem General Fabio Conti, der tatsächlich krank war, als Clelia Mut bekam, das Opfer, das sie Fabrizzio angekündigt hatte, zu verwirklichen. Sie hatte sich am Tage des allgemeinen Ergötzens, der zugleich der Tag von Fabrizzios Flucht war, klugerweise krank gestellt, desgleichen am folgenden Tage, mit einem Wort, sie hatte sich so zu benehmen verstanden, daß kein Mensch, mit Ausnahme des Aufsehers Grillo, der besonders mit der Bewachung Fabrizzios betraut gewesen war, ihre Mitschuld argwöhnen konnte. Und Grillo schwieg.
Aber sobald Clelia nach dieser Seite keine Sorgen mehr hatte, wurde sie von ihrer gerechten Reue um so grausamer heimgesucht. ›Was in aller Welt‹, sagte sie sich, ›kann das Verbrechen einer Tochter entschuldigen oder mildern, die ihren Vater betrogen hat?‹
Eines Abends, nachdem sie fast den ganzen Tag in der Kapelle verweint hatte, bat sie ihren Onkel Don Cesare, sie zum General zu begleiten, dessen Wutausbrüche sie um so mehr erschreckten, als er Verwünschungen gegen Fabrizzio, diesen abscheulichen Verräter, hineinflocht.
Als sie vor ihrem Vater stand, hatte sie das Herz, ihm zu sagen, sie habe sich deshalb immer geweigert, dem Marchese Crescenzi ihre Hand zu reichen, weil sie nicht die geringste Neigung zu ihm fühle und
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