Die Kartause von Parma
ihn immer geliebt hatte und von dem der Gedanke, ihn zum Koadjutor zu machen, in der Tat ausgegangen war, ein wenig eifersüchtig. Der Erzbischof hielt sich klugerweise für verpflichtet, zu allen Hoffesten zu gehen, wie das in Italien Brauch ist. Bei solchen Anlässen trug er seine große Amtstracht, fast die nämliche wie beim Hochamt in seiner Kathedrale. Die Hunderte von Dienern, die in dem säulengeschmückten Vorzimmer zusammengekommen waren, unterließen es nicht, Monsignore um seinen Segen zu bitten, der dann stehen blieb und ihn gnädigst erteilte. In einem solchen Augenblick feierlicher Stille hatte Landriani jemand flüstern hören: »Unser Erzbischof geht zum Ball, und Monsignore del Dongo ist Stubenhocker geworden!«
Von da an hatte die maßlose Bevorzugung, deren sich Fabrizzio beim Erzbischof erfreut hatte, ein Ende. Aber Fabrizzio konnte auf eigenen Füßen stehen. Seine jetzige Lebensführung, die ihre Ursache, wie gesagt, in der Trostlosigkeit hatte, in die ihn Clelias Heirat versetzte, galt als Ausfluß schlichter und erhabener Frömmigkeit, und die Gläubigen lasen die Übersetzung der Familienchronik des Hauses del Dongo, aus der die tollste Eitelkeit herausschaute, wie ein Erbauungsbuch. Der Verleger veröffentlichte Sonderabzüge von Fabrizzios Bildnis, diein wenigen Tagen vergriffen waren und ganz besonders von Leuten aus dem Volke gekauft wurden. Aus Unkenntnis hatte der Zeichner Fabrizzios Bildnis mit verschiedenen Sinnbildern umgeben, wie sie nur bei Bildern von Bischöfen statthaft sind, einem Koadjutor aber nicht zukommen. Der Erzbischof sah solch ein Bild, und sein Zorn kannte keine Grenzen mehr. Er ließ Fabrizzio kommen und fuhr ihn hart an, in Ausdrücken, die aus Leidenschaftlichkeit recht grob ausfielen. Fabrizzio war es, wie man sich wohl denken kann, ein leichtes, sich so zu benehmen, wie sich Fénelon bei gleichem Anlaß benommen hätte. Er hörte den Erzbischof mit größter Demut und Ehrerbietung an, und als der Prälat mit Reden fertig war, erzählte er die ganze Geschichte von der Übersetzung der Genealogie, die zur Zeit seiner ersten Gefangenschaft auf Veranlassung des Grafen Mosca angefertigt worden war. Sie sei aus weltlichen Absichten veröffentlicht worden, die ihm für einen Mann seines Berufes recht unschicklich erschienen seien. Was das Bildnis anlange, so hätte er mit den Sonderabzügen ebensowenig zu tun wie mit dem Buche. Während seines Retiros habe ihm der Buchhändler, an das erzbischöfliche Amt gerichtet, vierundzwanzig Abzüge des Bildes übersandt. Er habe seinen Diener beauftragt, ein fünfundzwanzigstes Exemplar zu kaufen, und nachdem er auf diesem Wege erfahren habe, daß ein Bild für dreißig Sous verkauft wurde, habe er dem Verlag hundert Franken als Bezahlung für die vierundzwanzig Exemplare geschickt.
Obgleich diese Rechtfertigung von einem Manne, dem andere Dinge das Herz schwer machten, im vernünftigsten Ton vorgetragen wurde, steigerte sich die Wut des Erzbischofs ins Sinnlose. Er ging so weit, Fabrizzio Heuchelei vorzuwerfen.
›Da haben wir es: Plebejer bleiben Plebejer,‹ sagte sich Fabrizzio, ›selbst wenn sie Geist haben!‹
Er hatte damals eine viel ernstlichere Sorge. Seine Tante bestürmte ihn mit Briefen, er solle unbedingt wieder inseine Wohnung im Palazzo Sanseverina zurückkehren, zum mindesten sie öfters besuchen. Dort mußte er sicherlich von den glänzenden Festen zu hören bekommen, die der Marchese Crescenzi zu seiner Hochzeit veranstaltete. Das zu ertragen, ohne sich zu verraten, traute er sich aber nicht zu.
Als die Vermählungsfeier stattfand, beobachtete Fabrizzio bereits acht Tage strengstes Stillschweigen. Er verbot seiner Dienerschaft und den Beamten der erzbischöflichen Kanzlei, mit denen er amtlich zu tun hatte, ihn anzureden. Monsignore Landriani, dem dieser neue Snobismus zur Kenntnis gekommen war, ließ Fabrizzio viel häufiger zu sich rufen als sonst. Er suchte ihn in die langwierigsten Unterhaltungen zu ziehen; er halste ihm sogar Unterredungen mit gewissen Dorfpfarrern auf, die sich beschwert hatten, daß der Erzbischof in ihre Vorrechte eingriffe. Fabrizzio nahm alle diese Scherereien mit der vollkommenen Gleichgültigkeit eines Mannes hin, der Höherem nachgeht. ›Es wäre das klügste für mich,‹ dachte er, ›ich würde Kartäuser. In den Bergen von Velleia würde ich weniger leiden.‹
Er besuchte seine Tante; als er sie umarmte, vermochte er die Tränen nicht zurückzuhalten. Sie fand ihn sehr
Weitere Kostenlose Bücher