Die Karte der Welt (German Edition)
Curdwells Bein loszulassen, außer Curdwell war mit »erwachsenen Soldatengesprächen« beschäftigt. Der Kleine hielt sich kaum in dem Raum mit den anderen Kindern auf und schlief auf einem Stapel alter Kniehosen zu Curdwells Füßen.
»Du verstehst mich falsch«, erklärte Brynn geduldig. »Es wäre das Beste für sie. Es sind nicht unsere Kinder. Die Düsterlinge werden uns verfolgen, und das kleine Volk hier hat ohnehin nicht genug Nachkommen, weil sie zu wenige Frauen haben. Sie werden die Hilfe der Flusskinder gut gebrauchen können, wenn sie selbst älter werden.«
»Die Zwerge haben nicht versprochen, dass sie sich um die Kinder kümmern werden«, gab der ältere Winster zu bedenken.
»Ich verspreche es«, erklärte Cirilla und stellte sich trotzig in die Mitte.
»Wie solltest du so etwas versprechen können?«, fragte Fretter vorsichtig, um ihr Temperament nicht mehr zu befeuern als unbedingt nötig.
»Weil ich ebenfalls bleiben werde.«
Köpfe schwangen herum, und die Anwesenden blickten einander überrascht an.
»Du bist nicht die Anführerin«, erklärte Fretter ruhig. »Die Entscheidung, sie zu behalten, liegt nicht bei dir.«
»Blurdo hat ein Auge auf mich geworfen. Ich habe einigen Einfluss auf ihn.« Sie legte die Hände auf ihre Brüste, was die Stimmung unter den Soldaten sofort hob und Curdwell sowie dem älteren Winster sogar ein kleines Lächeln entlockte. »Außerdem wird er froh sein, euch verdammte Riesen los zu sein und die Düsterlinge gleich mit. Dafür wird er die Last, die Kinder zu behalten, gern auf sich nehmen. Wenn nicht, heirate ich ihn eben.« Sie grinste. »Und dann wird er genau das tun, was ich ihm sage.«
Daran hatte Wex keinen Zweifel. Cirilla war ein kleines Bündel aus geballtem Willen, sie hatte zu allem ihre eigene Meinung, und es war unmöglich, sie von etwas abzubringen, das sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte. Blurdo tat ihm beinahe leid, sollte er sie tatsächlich heiraten. Trotzdem kam es ihm nur natürlich vor, wenn Cirilla blieb. In Abrogan erwarteten sie nur Spott und Verachtung, wohingegen sie hier bei den Zwergen fast schon zu den Großen gehörte. Auch für die Kinder schien sie die Richtige zu sein. Auf gewisse Weise hatte sie Wex während der Expedition wie einen Sohn behandelt, hatte ihm stets mit Rat, manchmal freundlich, manchmal streng, zur Seite gestanden und sich um ihn gekümmert. Das Wichtigste jedoch war: Unter ihrer Fürsorge hatte er sich gefühlt wie ein Mensch und nicht wie ein Frischling, wie es bei seiner eigenen Mutter der Fall gewesen war.
Das Gespräch wandte sich nun den Fluchtmöglichkeiten zu, und Wex fand Gelegenheit, Cirilla etwas ins Ohr zu flüstern.
»Ich werde dich vermissen«, sagte er.
Cirilla ging zwar nicht direkt auf seine Worte ein, aber Wex hörte dennoch etwas aus ihrem letzten Kommentar heraus, den sie sich einfach nicht verkneifen konnte. »Sei du nur vorsichtig, welche Frau du dir aussuchst«, wies sie ihn an. »Denk immer daran: Ein gesunder Verstand ist mehr wert als ein wohlgeformtes Hinterteil und ein hübsches Dekolleté zusammen. Ich will nicht, dass du diesen Krieg zwischen Menschen und Bestien überstehst, nur um dann von einer Frau zugrunde gerichtet zu werden. Hast du mich verstanden?«
Wex verkniff sich ein Grinsen. »Ja«, erwiderte er. »Und ich danke dir.«
»Sie kommen!«
Das war früher, als Wex gehofft hatte. Kraven hatte tatsächlich kein bisschen durchgehalten.
Draußen war es inzwischen Nacht geworden. Dutzende von Fackeln jagten über die Lichtung. Ihre Lanzen nach ihnen zu schleudern wäre reine Verschwendung gewesen. Es war unmöglich, im Dunkeln irgendetwas zu treffen. Blurdo wies seine Männer lediglich an, die Luken zu verriegeln.
Wie ein Schwarm Glühwürmchen tanzten die Fackeln um den Fuß des Turms.
»Der Turm kann nicht brennen«, versicherte Blurdo. »Die Wände werden nicht Feuer fangen.«
Von unten ertönte Lärm. Wildes Hämmern, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Turms. Offensichtlich hatten die Düsterlinge ohne größere Probleme das Eingangstor herausgerissen und waren in die unterste Ebene vorgedrungen. Die Luke zum darüberliegenden Stockwerk jedoch war mit einem massiven Holzblock gesichert, der über die Falltür geschoben und mit kleineren Holzblöcken gegen die Decke verkeilt war. Es war absolut unmöglich, sie zu öffnen. Also saßen die Düsterlinge dort unten fest, mitten im Gestank der Latrine.
Arkh ist immer noch da unten , schoss es Wex durch
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