Die Karte der Welt (German Edition)
Aufgaben zu, ohne auch nur zu nicken.
»Siehst du, sie mögen dich«, erklärte Lothario mit einem Grinsen. »Komm mit. Ich zeige dir die Werkzeuge deines Vorgängers.«
»Wartet«, erwiderte Wex. »Wer sind die da …?«
»Die da?«, fragte Fretter.
»Da drüben!«
Um ein zweites Feuer saß zwischen den Bäumen eine Gruppe schattenhafter Gestalten.
»Schurken und Missgeburten«, erklärte Fretter in neutralem Tonfall, als würde er lediglich das Offensichtliche aussprechen.
»Du wirst sie noch bald genug zu Gesicht bekommen. Erst einmal sollst du dich an die anderen, die normalen Männer gewöhnen. Hier entlang …«, sagte Lothario und brachte Wex zu zwei Zelten, die direkt nebeneinanderstanden.
Wex folgte dem Hauptmann. Das Lager und seine gut ausgerüstete Besatzung waren beeindruckend, doch sein Blick wurde immer wieder zu dem Flackern zwischen den Bäumen und den missgestalteten Schatten darum herum gezogen.
»Rein mit dir«, drängte Lothario.
Wex duckte sich unter der Zeltklappe hindurch. Drinnen saß ein Mann im Schneidersitz, und eine smaragdgrüne Robe umfloss seine Silhouette wie ein Wasserfall.
Wex blieb wie angewurzelt stehen. »Ihr seid der …«
»Magier?«, sprach der Mann den Satz für ihn zu Ende und hob mit pompöser Geste die Arme, dass die Stoffkaskaden nur so wallten.
»Ja!«
»Richtig«, erklärte der Zauberer selbstgefällig. »Siehst du? Schon habe ich deine Gedanken gelesen.«
»Ist bei der auffälligen Robe auch nicht schwer zu erraten«, murmelte Fretter.
»Dies ist Kraven, Hofzauberer des Fürsten«, verkündete Lothario.
»Meister der Künste der Wissenschaft und Magie«, fügte Kraven beflissen hinzu.
»Versuch, dich möglichst unbeeindruckt zu zeigen. Sonst spielt er sich nur noch mehr auf.«
Kraven ignorierte Fretters Kommentar und starrte Wex aus den Tiefen seiner Kapuze an. Sein Gesicht sah faltig aus, aber nicht alt. Er war schmal, aber nicht wirklich dünn. Die Haare, die hervorlugten, waren weder dunkel noch hell, sondern irgendetwas dazwischen, ein wenig meliert vielleicht, aber noch lange nicht grau. Ein vollkommen durchschnittlicher Mann, dachte Wex, abgesehen von dem aufgeblasenen Äußeren.
»Komm herein«, forderte Kraven ihn mit bedeutungsvoll erhobenem Finger auf.
Wex sah sich um. »Ich bin schon drinnen.«
»Dann setz sich.«
»Könnt Ihr wirklich Magie wirken?«
»Du zweifelst?«
»Ich kenne lediglich die Schwindler auf Jahrmärkten, die behaupten, sie könnten zaubern. Und dabei benutzen sie nur gezinkte Würfel oder haben irgendwelche Karten im Ärmel stecken, solche Dinge. Mein Vater meint, es gibt keine Magie, und Gweevus, unser Dorfpriester, sagt, Magie wäre falsch. Blasphemie.«
»Ja, die Priester«, erwiderte Kraven kopfschüttelnd. »Sie nennen die Wunder dieser Welt gerne das Werk ihrer Götter, während sie selbst die Hand ausstrecken, um den Dank dafür einzufordern. Doch sage mir dies: Wann hast du das letzte Mal einen von ihnen ein Wunder wirken sehen?«
»Könnt Ihr mir eines zeigen?«
Kraven räusperte sich. »Du möchtest also, dass ich etwas so Heiliges wie einen Akt der Magie vorführe wie einen Taschenspielertrick … zu deiner persönlichen Belustigung?«
»Ja«, sagte Fretter. »Jetzt zeigt ihm schon irgendwas, damit wir es hinter uns haben.«
»Also wirklich Fret, ruinier ihm nicht die Vorstellung«, warf Lothario ein.
»Setz dich, Junge«, wiederholte Kraven. »Setz dich, und du wirst glauben.«
Wex setzte sich auf den frisch gefegten nackten Zeltboden.
Kraven raffte mit viel Aufhebens die Ärmel hoch und öffnete die Hände. Es waren gewöhnliche Hände, aber er konnte die ebenso gewöhnlichen Finger daran erstaunlich weit spreizen und sie in durchaus ungewöhnliche Positionen verrenken.
»Bist du innerlich bereit?«, fragte er mit tiefer Stimme, die klang, als würde sie von weit weg kommen.
»Ich glaube schon«, antwortete Wex.
Lothario sah amüsiert zu, während Fretter am anderen Ende des Zeltes in einem Leinensack nach etwas zu essen wühlte.
»Ich muss ein paar Dinge über dich wissen. Du bist Bauer, aus den nördlichen Gefilden, nicht wahr? Ich sehe es in deinen Augen.«
»Ja.«
»Dein Name?«
»Wexford. Wex, wenn Ihr möchtet.«
»Nein, oh nein«, erwiderte Kraven ungeduldig. »Dein Nachname.«
»Stoli.«
»In der wievielten Generation?«
»Weiß nicht. Unsere Familie gab es schon immer.«
»Interessant …«
Wex hatte keine Ahnung, was an dem Stammbaum einer armen Bauersfamilie von
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