Die Karte Des Himmels
Vorwürfe machen musst, Euan. Aber ich will das Rätsel so schnell wie möglich lösen, weil ich ihr dann vielleicht helfen kann.«
»Was macht die Geschichte mit der Halskette? Bist du da weitergekommen?«
»Nicht viel. Gran hat mir ein bisschen mehr über einen Jungen erzählt, der das Zigeunermädchen gequält hat, aber das ist auch schon alles. Ich wollte dir sowieso erzählen, dass sie die Halskette unter den Dielen in deinem Haus versteckt hat. Du hast bei der Renovierung der Schlafzimmer dort nicht andere verborgene Schätze gefunden?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, die Männer haben nichts erwähnt. Erzähl mir mehr über das Zigeunermädchen.« Euan war wieder stehen geblieben, diesmal an einem verrottenden Baumstumpf. Gedankenverloren zückte er sein Taschenmesser und hob damit ein Stück Borke an. Sie schauten einem Tausendfüßler zu, der ihm über den Handrücken krabbelte.
»Sie hieß Tamsin Lovall, und Gran hat sie im Wald kennengelernt. Eine Weile ist sie hier zur Schule gegangen.« Jude ließ den Blick schweifen und konnte sich plötzlich die erste Begegnung vorstellen. »Das Versteck im Turmzimmer haben sie für Botschaften und Geschenke benutzt. Ich habe bisher alle Lovalls im Telefonbuch nachgeschlagen, aber weiter bin ich noch nicht gekommen. Ich versuche vor allem, herauszufinden, was mit Esther passiert ist, und Gran erzählt mir die Tamsin-Geschichte immer nur in kleinen Häppchen, sodass es mir schwerfällt, mich darauf zu konzentrieren.«
»Ich würde deine Gran gern kennenlernen«, sagte Euan, ließ den Tausendfüßler laufen und stand wieder auf. »Schon weil sie in meinem Haus aufgewachsen ist. Claire hat viel über sie erzählt, und es hört sich immer so an, als hätte die alte Dame ein paar gute Geschichten auf Lager.«
Aus irgendeinem Grund irritierte es Jude, dass er Claire zum zweiten Mal erwähnte. »Dann komm doch einfach heute Nachmittag mit«, sagte sie, ohne zu überlegen. »Vielleicht hast du mehr Glück mit Gran als ich.«
Mittags rief Jude bei Gran an und erkundigte sich, ob es in Ordnung sei, wenn sie noch jemanden mitbrächte. Aber als sie in Blakeney eintrafen, wünschte sie, sie hätte nicht erwähnt, dass es sich um Euan handelte. Gran hatte sich eindeutig sehr viel Mühe gemacht, um sich auf ihn vorzubereiten. Sie hatte das hübsche blaue Kleid angezogen, das sie auch bei ihrer Geburtstagsfeier getragen hatte, und zwei Sorten Kuchen gekauft.
»Er scheint sehr nett zu sein«, flüsterte Gran ihr in der Küche zu, als Jude mit dem Tee half. Sogar die schönste Teekanne hatte sie hervorgeholt und das gute Service.
»Das ist er, Gran, und es ist sehr freundlich von ihm, uns bei der Suche nach Tamsin zu helfen.«
»Sehr freundlich«, sagte Gran und sah ihre Enkelin mit einem besorgten Lächeln an. »Du passt doch auf die Halskette auf? Ich mag mir nicht vorstellen, dass irgendjemand anders sie in die Finger bekommt.«
»Ich trage sie immer bei mir«, sagte Jude beruhigend und zeigte auf ihre Handtasche. Später holte sie den Schmuck heraus und legte ihn auf den Tisch. Euan hatte ihn bisher noch nicht gesehen und konnte den Blick gar nicht mehr abwenden.
»Können Sie sich vorstellen, wie die Kette damals in Tamsins Hände gelangt ist?«, fragte er Gran beim Tee. »Für ein kleines Mädchen ist es ein sehr wertvolles Stück.«
»Sie hat behauptet, dass ihre Großmutter sie ihr geschenkt hat und dass sie seit Jahren in der Familie weitergegeben wird. Und sie hat erzählt, dass sie nie verkauft wurde, weil sie großes Glück bringt. Die Familie hielt die Kette sicher verwahrt, aber keiner wusste, woher sie ursprünglich stammte.«
»Und warum hat sie die Kette im Starbrough Folly versteckt? Ich bin ein bisschen verwirrt, weil Sie auch gesagt haben, dass Tamsin sie oft getragen hat.«
»Warum hat sie die Kette im Turm versteckt, Gran?«, fragte auch Jude. »Ich habe dir doch erzählt, dass wir das Versteck im Zimmer oben gefunden haben, oder?«
»Ja, das hast du. Manchmal haben wir uns dort kleine Geschenke hinterlegt, und als ich mir die Kette einmal ausgeliehen hatte, habe ich sie dort gelassen, damit sie sie auch findet.«
»Und? Hat sie sie gefunden?«
»Ja, damals schon.«
Jude und Euan wechselten einen Blick. Mit dieser Art von Fragen kamen sie nicht weiter. Gran war offenbar aufgeregt und zerkrümelte ein Stück Kuchen auf ihrem Teller. Jude beschloss, das Thema zu wechseln, und fragte ihre Großmutter, ob sie etwas von ihrer Tochter aus Spanien
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