Die Karte Des Himmels
Euan als auch ihr entgangen war? Der Starbrough Folly besaß eine ganz besondere Atmosphäre, aber beängstigend war sie sicher nicht. Jude half Summer beim Zähneputzen und steckte sie dann ins Bett.
»Ich hole Mummy zum Gute-Nacht-Sagen«, erklärte sie.
»Sag ihr, dass ich einen Schluck Wasser trinken möchte«, erwiderte Summer. Als Jude aufstand, ergriff Summer ihre Hand. »Und mach die Tür nicht zu, Tante Jude. Ich will nicht, dass es ganz dunkel wird.« In diesem Moment wusste Jude, dass Summer innerlich aufgewühlt war, mehr, als sie durchblicken ließ.
Als Claire wieder nach unten gekommen war, breitete sie mehrere Blätter Papier und ein großes Buch auf dem Tisch aus.
»Das hier hat Linda herausgefunden«, sagte sie.
Sie erklärte Jude die unterschiedlichen Abschnitte der Zeichnung und die Bedeutungen, die Linda notiert hatte. »Sieh mal, das hat sie hieraus«, sagte sie und zeigte Jude eine Seite über Horoskope aus dem achtzehnten Jahrhundert mit ein paar Illustrationen. »Die Karte sagt, dass die Sonne hier im Wassermann steht, und ...«
»Ich bin nicht sicher, ob ich das alles verstehe. Was bedeutet das denn nun tatsächlich für die Zukunft des betreffenden Menschen?«
»Das ist eher unbestimmt. Linda hat hier ›Kreativität‹ notiert, ›Selbstverwirklichung‹, ›Konflikte‹, ›Feinde‹ und ›Krisen‹. Ich hatte dir doch schon gesagt, dass es kein besonders tolles Horoskop ist, oder?«
»Hm, wie soll ich sagen, es ist nicht besonders nützlich, oder? Also wenn es darum geht, jemanden zu identifizieren oder um herauszufinden, was mit einem Menschen passiert ist.«
Claire zuckte mit den Schultern. »Dafür kann ich auch nichts, oder?«, sagte sie entschuldigend.
Jude griff nach dem anderen Buch über die Geschichte der Astrologie, das Claire aufgeschlagen hatte. Zwei Linien lenkten ihre Aufmerksamkeit auf sich. »Hier heißt es, dass ›Astrologie im achtzehnten Jahrhundert nicht besonders populär war‹. Es könnte also wichtig sein, dass diese Zeichnung überhaupt angefertigt wurde. Wer könnte das gemacht haben?«, überlegte sie laut. »Und hör dir das mal an: ›Die Entdeckung des Uranus als siebter Planet im Jahr 1781 hat die überlieferten astrologischen Gebilde vollständig durcheinandergebracht.‹ Ich denke, das stimmt«, sagte Jude und schaute von dem Buch auf. »Aber dann wäre dieses Horoskop blanker Unsinn.«
»Vielleicht auch nicht«, widersprach Claire. »Es wäre nur unvollständig. Und was die Frage betrifft, wer die Zeichnung gemacht hat, na ja, das waren traditionell die Zigeuner.«
24. Kapitel
Jude fühlte sich absurderweise geschmeichelt, als Euan am Montagmorgen früh anrief und sie fragte, ob sie Lust habe, ihn auf einem Spaziergang zu begleiten. »Ich muss einen kleinen Beitrag über Orchideen für eine Natur-Website schreiben«, erklärte er. »Ich dachte, ich geh einfach mal los und schaue mir an, was es hier in der Gegend so gibt. Möchtest du mitkommen?«
Er klang locker und ungezwungen, aber Jude konnte nicht anders, als zu hoffen, dass es ihm darauf ankam, sie zu sehen. Eine Sekunde lang wog sie die Arbeit, die sie noch zu erledigen hatte, gegen den Spaziergang mit Euan ab. Sie musste nicht lange überlegen – sie würde ihre Notizen für den Artikel durchsehen, wenn sie zurückkam. Obwohl nicht viel Zeit bleibt, dachte sie, als sie sich an ihre Verabredung mit Gran am Nachmittag erinnerte. Egal, sie hatte sich wirklich eine Pause verdient.
»Wenn es dich nicht stört, dass ich keine Ahnung von diesem Thema habe«, sagte sie. »Ja, ich würde gern auf Orchideenjagd gehen.«
»Gut. In einer halben Stunde bei mir?«
Als sie an der Hintertür des Cottages auftauchte, küsste er sie zur Begrüßung auf die Wangen, aber nicht so, dass man irgendetwas anderes als Freundschaft daraus lesen konnte.
»Wie war’s gestern bei Claire?«, fragte sie, als er den Rucksack schulterte und sie sich auf den Weg machten.
»Sehr nett.« Mehr sagte er nicht. »Deine Schwester ist eine tolle Köchin. Es kommt nicht oft vor, dass mir ein komplettes Sonntagsmenü serviert wird.
»Ja, sie kocht wirklich hervorragend«, sagte Jude und fragte sich, ob er für Claires Charme unempfänglich war oder sich einfach nur nicht in die Karten schauen ließ.
Sie stiegen den Hügel hinauf, aber diesmal wählte Euan den Weg links, auf der anderen Seite der Straße zum Turm. Am Anfang war der Fußweg von Brennnesseln und Brombeeren überwuchert, aber schon bald gelangten sie in
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