Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
Vom Netzwerk:
auch.«
    »Meine Güte, das ist Sarah, ja, natürlich, und das Ruth! Und meine Freundin Beth. Und da ist Charlies Freund Donald.«
    Der Turm war im Hintergrund zu sehen. Vor dem Gebäude konnte man ganz schwach eine weitere Gestalt entdecken, aber sie war so verschwommen und verblasst, dass es unmöglich war, mehr zu sagen, als dass es sich wahrscheinlich um eine Frau handelte. »Wer ist das?«, fragte Jude.
    »Gib mal her, Liebes«, sagte Gran und sah eine Weile blinzelnd auf das Foto. »Ich habe keine Ahnung«, sagte sie schließlich, »jedenfalls nicht Tamsin. Wer würde bei solchem Wetter schon ein langes Kleid tragen?«
    Jude beugte sich über das Album und starrte auf das Bild. Ja, es war ein langes Kleid, das war ihr vorher entgangen, so schwach war die Gestalt.
    »Es ist überbelichtet«, sagte Euan, nachdem auch er einen Blick darauf geworfen hatte. »Oder vielleicht hat sie sich im falschen Augenblick bewegt.«
    Aus irgendeinem Grund durchfuhr Jude ein Schauder, als sie die Gestalt betrachtete. »Kannst du uns das Album ausleihen, Gran?«, fragte sie. »Vielleicht hilft es jemandem dabei, sich zu erinnern.«
    »Natürlich, Liebes. Ich weiß, dass du darauf achtgibst.«
    Der Gedanke an die schattenhafte Figur auf dem Foto ließ Jude den ganzen Abend über nicht los. Natürlich kam es häufig vor, dass eine Gestalt auf einem Foto – mit Absicht oder zufällig – über eine andere geblendet wurde, und sie wusste, dass sie daraus keine voreiligen Schlüsse ziehen sollte. Sie machte sich eher Sorgen darüber, was das für Summers Erlebnis am Turm bedeutete.
    Eine Stunde und länger saß sie in ihrem Zimmer und recherchierte im Internet über die Bedeutung von Träumen und Geschichten von Menschen, die glaubten, früher schon einmal gelebt zu haben, fand aber nichts, was in dieser Situation nützlich sein könnte. Summer erzählte ihre Geschichten ganz bestimmt nicht als persönliche Erinnerungen, sondern als etwas, das jemand anderes, der nicht sie war, erlebt hatte. Und auf keiner Website hatte Jude einen Hinweis darauf finden können, dass Träume vererbt werden konnten.
    »Ich denke immer noch, dass du zu viel daraus machst«, sagte Claire am nächsten Abend, Dienstag, als Jude sie besuchte und ihr Grans Fotoalbum zeigte. Doch Jude sah die Angst in ihren Augen. Sie konnte das verstehen. Wer wollte schon glauben, dass seine kleine Tochter vielleicht ... von irgendetwas heimgesucht wurde? Es klang mittelalterlich oder wie eine Szene aus einem albernen Horrorfilm. Nicht dass das, was geschah, in irgendeiner Hinsicht bösartig war – dem Himmel sei Dank. Jude dachte über den Traum nach, in dem sie sich im dunklen Wald verlaufen hatte. Das Schreckliche daran war das Gefühl des Verlorenseins, abgeschnitten von seiner Mutter im dunklen Wald. Ein sehr kleines Kind konnte etwas Ähnliches empfinden, wenn es im Supermarkt weggelaufen war.
    »Aber das alles ist schon ein bisschen merkwürdig, das musst du zugeben«, sagte Jude.
    »Hör auf«, erwiderte Claire und wandte den Blick ab.
    »Wenn ich den Traum nicht auch geträumt hätte, würde ich so denken wie du. Dass Kinder eben nachts manchmal Angst haben und dass man sich keine Sorgen machen muss, weil es irgendwann aufhört.«
    »Ich bin sicher, dass es an den Märchen liegt«, murmelte Claire. »Ich habe dir doch erzählt, dass die in der Schule sagen, die Kinder sollten keine Märchen lesen. Das würde ihnen nur Angst machen, weil diese die Ängste der Erwachsenen auf sie projizieren.«
    »Was sollen sie denn dann lesen? Jede Kultur steckt voller Mythen und Legenden. Und Summer liebt Märchen. Ständig fragt sie mich, ob ich ihr noch eins vorlese.«
    »Bei den Geschichten, die Summers Lehrer den Kindern gibt, geht es um alltägliche Erfahrungen. Dadurch sollen sie die Fähigkeit erwerben, die Dinge zu verarbeiten.« Claire hörte sich an, als würde sie aus einem Lehrbuch der Pädagogik zitieren.
    »Das ist sicher bewundernswert, und ich verstehe nicht viel von Kindererziehung. Aber ich bin mir auch sicher, dass viele der alten Geschichten den Kindern nicht von den Erwachsenen aufgezwungen wurden. Märchen reichen weit zurück in die Vergangenheit und beziehen sich auf Standardsituationen wie Stiefmütter, die ihre eigenen Kinder bevorzugen, oder auf den mittellosen jüngsten Sohn, der auszieht, um sein Glück zu suchen. Und man kann die Angst vor Dunkelheit und Verlust nicht aus dem Leben verbannen. Selbst die kleinsten Kinder haben schon solche Ängste. War

Weitere Kostenlose Bücher