Die Karte Des Himmels
bunter sind und von Pferden gezogen werden.«
»Wie Euans«, traute Summer sich doch noch zu sagen.
»Ah«, sagte Barney bedauernd, »Euans Wagen ist wirklich schön. Liza ...«, er zeigte auf die Frau, die gerade ein helles Baumwollhemd auf die Leine hängte und anschließend zu ihnen kam, »... hat als Kind in einem vardo gelebt. Aber die neuen Wagen kann man viel besser in Ordnung halten, was, Liza? Und für die Pferde war das Leben auch sehr schwer. So viel Verkehr auf den Straßen und kaum mal eine Wiese zum Grasen. Die Kinder mochten die Pferde. Es tut mir leid, Summer, dass meine zwei Kinder gerade nicht zu Hause sind. Sonst hättet ihr zusammen spielen können.«
»Sind sie in der Schule?«, fragte Summer und hatte ihre Schüchternheit vergessen.
»Ja, sie gehen in Starbrough zur Schule«, gab Barney zurück. »Ist das auch deine Schule?«
Summer schüttelte den Kopf.
»Summer wohnt mit ihrer Mutter ein paar Meilen entfernt in Felbarton«, erklärte Jude, »aber es ist interessant, dass Ihre Kinder in Starbrough sind.« Sie warf einen Blick auf Euan, der ermutigend nickte. »Euan hatte erzählt, dass Ihre Familie schon seit vielen Jahren hierherkommt. Ich habe mich gefragt, ob Sie etwas über ein kleines Mädchen wissen ... also, wenn sie noch lebt, müsste sie eine sehr alte Dame sein ... meine Großmutter hat das Mädchen gekannt, als sie in den Dreißigerjahren in Starbrough zur Schule gegangen ist. Ihr Name war Tamsin Lovall.«
Barney setzte einen zweifelnden Blick auf, drehte sich zu Liza und redete mit ihr in einer Mischung aus Englisch und dieser fremd klingenden harten Sprache. Jude fragte sich, ob die alte Frau seine Großmutter war und wie alt sie wohl sein mochte. Ihre Haut war verschrumpelt wie eine Rosine, aber sie war immer noch flink auf den Beinen.
Die alte Frau nickte langsam. »Ich kenne eine Lovall, aber nicht Ihre Tamsin. Die Schwester meines Vaters. Ihr Ehemann war ein Lovall. Ted Lovall«, erklärte sie und fügte etwas hinzu, das Jude nicht verstand.
»In Starbrough gibt es eine Bank mit seinem Namen drauf«, sagte Jude zu Euan.
»Ach, wirklich?«, gab Euan zurück.
»Ja, die Bank habe ich auch gesehen«, sagte Barney. »Vielleicht war er hier in der Gegend gut bekannt. Oder, Liza?«
»Ich glaub schon«, sagte Liza und lachte auf, »ganz besonders im ›Red Lion‹. Am Ende seines Lebens hat er das Umherziehen aufgegeben«, erklärte sie Jude, »und er war froh, wenn er sich mit seinen Geschichten ein oder zwei Bier verdienen konnte.«
»Irgendwann früher hat es mal böses Blut gegeben, glaube ich«, sagte Barney. »Ein paar aus der Familie – vielleicht war Ihre Tamsin eine von ihnen – haben während des Krieges beschlossen, sich niederzulassen. Vor Ort hat es Arbeit gegeben, und es waren schwere Zeiten für uns Roma. Jeder, der irgendwie fremd aussah und sich in der Gegend aufhielt, galt als verdächtig.« Er breitete die Arme aus. »Es blieb natürlich nicht aus, dass harte Worte darüber fielen, dass es ein Verrat an der traditionellen Lebensweise sei. Und ich? Mir gefällt dieses Leben, aber ich kann auch jeden verstehen, der es aufgibt. Es ist sehr hart, und uns schlägt so viel Feindseligkeit entgegen.«
»Versucht Farrell immer noch, euch von hier zu vertreiben?«, unterbrach ihn Euan mit leiser, aber eindringlicher Stimme.
»Ja. Und letzte Woche war die Polizei hier«, erwiderte Barney. »Irgendwas wegen gestohlener Vögel. ›Routine‹, sagten sie, ›sehr bedauerlich.‹ Ja, stimmt, es ist Routine, dass zuerst wir überprüft werden. Ich hätte fast gelacht. ›Der einzige Vogel, den Sie hier finden können‹, habe ich ihnen erklärt, ›ist das Hühnchen Margrit, das ich im Supermarkt gekauft habe. Aber Sie dürfen uns gern durchsuchen, wenn Sie wollen.‹ Und weißt du was? Sie haben noch nicht mal einen Blick in die Wagen geworfen. Der Polizist war in Ordnung, oder, Liza? Hat gesagt, dass es ihm leidtut, und sah wirklich peinlich berührt aus. Dann hat er uns Fragen gestellt – und es kam raus, dass seine Familie vor langer Zeit auch mal zu den Roma gehört hat. Wir haben uns lange darüber unterhalten, wie er herausfinden kann, was aus ihnen geworden ist. Wissen Sie, die Leute sind nicht unbedingt das, was man erwartet. Natürlich gibt es immer welche, die mit Scheuklappen durchs Leben gehen. Sie sehen nur das, was sie sehen wollen. Und das ist meistens schlecht.« Sein Blick flammte kurz auf, gewann dann aber wieder seine sanfte Freundlichkeit
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