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Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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sie nachts wachlag. Aber im Moment verhielt Claire sich so merkwürdig, dass sie sich wie ein Eindringling vorkam.
    Sie mahnte sich zur Zurückhaltung, obwohl es lächerlich war, dass sie das überhaupt für notwendig hielt. Es war erst ein paar Wochen her, dass sie sich wegen ihrer Verbundenheit mit Mark von Caspar getrennt hatte. Es war vollkommener Unsinn, Claire ihr Interesse an Euan übel zu nehmen. Und ... jetzt kehrte es zu ihr zurück, das, was sie unbedingt vergessen wollte. Genau darauf musste Claire mit ihrem Hinweis, Mark sei nicht perfekt gewesen, angespielt haben. Jahrelang hatte Jude es in ihrem Kopf niedergetrampelt, hatte es für das Beste gehalten, für den einzigen Weg, wenn sie Mark nicht verlieren wollte. Und als Mark dann gestorben war, gehörte das Vergessen natürlich zum Vorgang seiner Heiligsprechung in jenem Teil ihres Gedächtnisses, das ihm gewidmet war. Aber nun hatte sie das Kästchen geöffnet, in dem sie die Erinnerungen an ihn aufbewahrte, und es gab keine Möglichkeit mehr, den Deckel wieder zu schließen.
    Ihr Vater war fast acht Jahre zuvor verstorben, im Oktober 2001, kurz nachdem Mark und sie sich verlobt hatten. Einundsechzig Jahre alt war er gewesen, ihre Mutter erst vierundfünfzig. Mark und Jude, die ihre Hochzeit für den folgenden Juni geplant hatten, waren praktisch jedes Wochenende zwischen der Beerdigung und Weihnachten bei Valerie gewesen, und auch Claire hatte ihr möbliertes Zimmer oft genug verlassen, um ihrer Mutter Gesellschaft zu leisten. Was auch immer Mark über diesen Haushalt weinender Frauen gedacht haben musste, er war zu mitfühlend und zu taktvoll gewesen, um je ein Wort darüber verlauten zu lassen. Allerdings nutzte er jede Gelegenheit, um das Haus zu verlassen. Er übernahm freiwillig die Einkäufe im Supermarkt, fuhr mit Valeries Wagen zum Tanken, holte die Kleidung aus der Reinigung und tausend andere Dinge. All das hatte Valeries seit Langem erkrankter Ehemann früher erledigt, und Valerie hatte zu diesem Zeitpunkt weder die Kraft noch das Verlangen, sich selbst darum zu kümmern.
    Claire versuchte zu helfen, indem sie die Wäsche wusch und bügelte und ihrer Mutter mit den Haaren und dem Make-up zur Hand ging, aber nur allzu oft musste sie erleben, dass sie angeschnauzt und zurückgewiesen wurde.
    »Du hast einen Draht zu ihr«, hatte sie sich bei Jude beklagt und sich mit ihren Tarotkarten und Taschentüchern in ihr früheres Schlafzimmer zurückgezogen. Im Grunde genommen verhielt Valerie sich Jude gegenüber kaum anders, aber Jude blieb ruhig, weil es ihr nicht so viel ausmachte.
    Ihr war sehr wohl bewusst, dass Mark offenbar mit Claire umgehen konnte. Er neckte sie auf eine Art, die Jude als brüderlich empfand, wenn er ihr zum Beispiel ab und zu den Arm um die Schultern legte. Er hatte eine Schwester, Catherine, die ein oder zwei Jahre jünger war als er, und im Umgang mit Frauen legte er eine Freundlichkeit an den Tag, die Jude immer geschätzt hatte. Deshalb achtete sie nicht besonders darauf, wie Claire und er miteinander umgingen.
    Doch in diesem Moment tauchte eine bestimmte Szene aus den wirren Bildern dieser schrecklichen Zeit in ihr auf, einer Zeit, die sie eigentlich aus ihrem Gedächtnis gestrichen hatte.
    Valerie und sie waren zu Gran unterwegs und wollten sie am Nachmittag besuchen. Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt war Valerie aufgefallen, dass sie ihre Handtasche vergessen hatte. Sie bestand darauf, dass Jude umkehrte, um die Tasche zu holen. Jude war verärgert. Warum konnte ihre Mutter noch nicht einmal für einen einzigen Nachmittag ohne ihre Handtasche überleben? Sie parkte den Wagen in der Straße vor dem Haus, als ihr einfiel, dass sich der Schlüssel in der Handtasche befand und dass Mark nicht zu Hause war, weil er einen alten Schulfreund besuchen wollte. Also stapfte sie durch den Seiteneingang auf das Grundstück, um den Ersatzschlüssel aus seinem Versteck im Gewächshaus zu holen. Als sie durch das Wohnzimmerfenster schaute, nahm sie aus den Augenwinkeln eine flüchtige Bewegung wahr. Sie starrte hin – und Mark starrte zurück. Er lag auf dem Sofa, und Claire hatte sich über ihm ausgestreckt. Schockiert und benommen holte Jude den Schlüssel, schnappte sich die Handtasche aus dem Flur und ergriff die Flucht, ohne ein Wort zu sagen.
    Später am Abend erklärte Mark ihr, dass Claire vom Weinen völlig erschöpft gewesen sei. Er habe gerade das Haus verlassen wollen, als sie vor der Tür stand. Da niemand

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