Die Karte Des Himmels
auftaucht, würde ich mich glücklich schätzen, zu ihr in Verbindung zu treten«, erklärte ich der Pilkington-Harpyie. »Und falls Sie das letzte Journal finden, schicken Sie es mir bitte zu. Es kann sein, dass die Arbeit Ihres Bruders zu Entdeckungen geführt hat, welche für unsere Kenntnisse der Sternenhimmel bedeutsam sein könnten. Wenn es sich so verhält, würde ich mich glücklich schätzen, dies an seiner Stelle der Obrigkeit zu melden. Ihr Diener, Sir, Madam.« Und so verließ ich das Haus mit gemischten Gefühlen – erleichtert, diese Menschen hinter mir zu lassen, aber auch mit tiefem Unbehagen.
Die Nacht verbrachte ich in dem Marktflecken Attleborough. Um ein Uhr erwachte ich durch Sturm mit Hagel und Schnee und erschrak gewaltig, weil das Bettgestell unter mir wackelte. Es sollte noch einen Tag und eine weitere Nacht dauern, bis das Wetter milde genug war, dass ich wieder nach London und zu meinem Heim aufbrechen konnte.
Dann ist Bellingham also doch nach Starbrough Hall gekommen, überlegte Jude und schloss das Dokument. Aber was um alles in der Welt war mit Esther geschehen? Sie hatte es nicht geschafft, Bellingham den Planeten zu zeigen, den sie gemeinsam mit ihrem Vater entdeckt hatte. Das war furchtbar. Was Du gefunden hast, ist wunderbar und schrecklich zugleich , schrieb sie in einer E-Mail an Cecelia. Ist das alles? Gibt es keine weiteren wichtigen Tagebucheinträge?
Die Antwort ließ auf sich warten. Jude rief Cecelia über das Handy an, hörte aber nur die Ansage, dass sie es später noch einmal versuchen solle. Unruhig schlich sie in der Bibliothek auf und ab und dachte ununterbrochen darüber nach, was sie als Nächstes tun sollte. Besonders beschäftigte sie die Frage, ob Esther noch mehr geschrieben hatte – und wenn ja, ob es die Zeit überdauert hatte.
Sie starrte auf den Schrank. Darin hatte sie das Bündel Blätter gefunden, das durch einen Spalt auf der Rückseite gefallen war. Was, wenn sie nicht alle Seiten herausgezogen hatte? Jude öffnete den Schrank, nahm alle Karten und Pläne heraus, schob ihre Hand durch den Spalt in der Rückseite und versuchte herumzutasten, indem sie mit ihren Fingern einen Kreis beschrieb – nur Ziegel und Mörtelstaub. Sie zog die Hand zurück, saugte an ihren zerkratzten Fingerknöcheln und dachte über weitere Möglichkeiten nach. Wenn es sein musste, konnte sie natürlich auch Robert bitten, die Rückseite des Schranks abzumontieren. Aber das kam ihr auch wie ein Akt des Vandalismus vor, und sie musste vorher herausfinden, ob es auch gerechtfertigt war. Alles, was durch den Spalt gerutscht ist, kann nicht besonders tief gefallen sein, überlegte sie. Wenn sie doch nur einen Blick hineinwerfen könnte ...
Sie suchte Alexia, um sie um eine Taschenlampe und einen Spiegel zu bitten. Alexia rutschte gerade auf Händen und Knien im Spielzimmer der Kinder herum und räumte auf, besorgte ihr aber sogleich die gewünschten Dinge. Jude richtete den Spiegel aus und leuchtete mit der Lampe herum, konnte zuerst rein gar nichts entdecken, doch dann ... gerade außerhalb ihrer Reichweite lag ein Stück Papier. Mit einem Kleiderbügel aus Draht und Doppelklebeband, das Alexia ihr brachte, gelang es ihr schließlich, mehr als ein Dutzend Blätter mit der vertrauten Handschrift zutage zu fördern.
»Aber das scheint es dann wirklich gewesen zu sein«, erklärte sie Alexia.
»Dem Himmel sei Dank«, sagte Alexia. »Lose Enden kann ich nicht ausstehen.« Dann ging sie wieder ins Kinderzimmer, um Spielzeug wegzuräumen.
Jude begann begierig zu lesen.
Ich kann es kaum ertragen, über jene letzten Tage zu berichten. Als der Advent näher rückte und uns auf die freudige Nachricht von der Geburt Jesu vorbereitete, richteten wir uns in Starbrough Hall auf das Dahinscheiden meines Vaters ein. Schon im Herbst war er zu schwach gewesen, als dass wir ihn hätten nach draußen bringen können, hatte aber keinesfalls den Willen eingebüßt, seinen Blick über die Himmel schweifen zu lassen. Er befahl, dass man das große Teleskop in den Turm zurückbringen möge, obwohl ich die kostbaren Spiegel in der Bibliothek in ihrem Kasten aufbewahrte, um sie zu polieren. An jenen Tagen pflegte ich ihn so sorgfältig, als wäre er ein Kind, half ihm beim Essen, so wenig er auch hinunterbrachte, wusch ihn und drehte ihn mit Betsys Hilfe im Bett, obwohl er inzwischen leicht geworden war und so bemitleidenswert bleich, dass man das Blut in seinen Adern sehen konnte.
Er verschlief
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