Die Karte Des Himmels
ineinander, und der Prinz besuchte Rapunzel heimlich, und sie war einverstanden, seine Frau zu werden. Wieder und wieder sprachen sie darüber, wie um alles in der Welt er sie befreien könne.‹«
»Und jetzt kommt der schreckliche Teil der Geschichte«, erklärte Summer ihrer Freundin Darcey.
»›Eines Tages, als die Hexe hinaufkletterte, um Rapunzel zu sehen, beklagte sich das Mädchen und sagte: Der andere zerrt nicht so sehr an meinem Haar. Sogleich bemerkte sie, dass sie ihren Geliebten verraten hatte, und schlug sich mit der Hand auf den Mund. Die Hexe tat so, als hätte sie die verräterische Bemerkung überhört, aber nachdem sie den Turm verlassen hatte, legte sie sich im Wald auf die Lauer. Als sie beobachtete, wie der Prinz nach Rapunzel rief und ihre liebste Gefangene eifrig seiner Forderung nachkam, das Haar herabzulassen, warf sie sich in ihren selbstgerechten alten Zorn. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, legte sie sich einen Plan zurecht. Gleich am nächsten Tag machte sie sich früher auf zum Turm als sonst und kletterte Rapunzels Haar hinauf. Dieses Mal überwältigte sie Rapunzel, fesselte sie an einen Stuhl und trennte ihr das Haar mit einem einzigen Schnitt ihres Messers ab und behielt es bei sich. Dann schickte sie das Mädchen in eine Wüste.‹«
»Und wie ist Rapunzel in die Wüste gekommen?«, fragte Darcey verwirrt.
»Auf die gleiche Art, auf die sie anfangs auch in den Turm gekommen ist«, antwortete Jude, »durch Zauber.«
»›Der Prinz kam und wartete wie üblich, aber als die Hexe Rapunzel nicht zur gegebenen Zeit besuchte, zuckte er mit den Schultern und stellte sich unter das Fenster und rief hinauf. Das seidene Seil ihres Haars glitt hinunter, und er ergriff es und begann, hinaufzuklettern. Aber als er am Fenster ankam, blickte er nicht in das schöne Gesicht seiner Geliebten, sondern in die runzeligen, warzigen Züge der boshaften alten Hexe. Verflucht seist du!, schrie die Hexe ihm entgegen, niemals wieder sollst du Schönheit und Anmut erblicken! Und dann ließ sie den Zopf los, sodass der Jüngling in die Tiefe stürzte. Er landete in einem Dickicht, wo garstige Dornen ihm die Augen auskratzten, ganz so, wie der Fluch der Hexe es befohlen hatte.‹«
Jude war sich bewusst, dass die Mädchen sie mit entsetzten Blicken anstarrten, und überflog schnell den nächsten Absatz. Glücklicherweise sollte alles in Ordnung kommen.
»›Viele Jahre lang irrte der Prinz blind durch die Wildnis und verließ sich auf die Herzlichkeit der Leute, die ihn mit Nahrung versorgten und ihn kleideten und nach seinem verlorenen Weibe suchten. Als er durch eine Wüste stolperte, fand er Rapunzel schließlich in einer armseligen Hütte, in der sie mit den gemeinsamen Zwillingen lebte. Sie erkannte ihn auf Anhieb und schloss ihn in die Arme, und Tränen des Mitleids ob seiner Blindheit und der zerlumpten Kleidung benetzten ihm das Gesicht. Seine Augen wurden geheilt, und er erblickte sie. Sie war gezeichnet von Kummer und Mühsal, für ihn aber immer noch die allerschönste Rapunzel.‹«
Jude legte das Buch ab, und alle saßen einen Moment lang schweigend beieinander.
»Jetzt wird es aber höchste Zeit, dass ihr euch ins Bett kuschelt«, sagte Jude. Auf der weichen Matratze türmten sich die Decken und eine Überdecke aus Patchwork, die farblich zum Wagen passte. »Es ist so schön hier, nicht?«
»Mm«, schnurrte Darcey, die sich gleich in die Kissen gleiten ließ.
Summer lag an der Seite zum Gang und schaute still zur Decke hinauf. Ihre Augen schimmerten im Dämmerlicht. »Ich bin so glücklich, dass Rapunzel und ihr Prinz sich am Ende doch noch gefunden haben«, murmelte sie.
»Und dass er wieder geheilt worden ist«, sagte Jude. »Es ist wirklich eine schöne Geschichte darüber, wie die Liebe am Ende alle Hindernisse überwindet. Natürlich ist auch danach nicht gleich alles gut gewesen, weil sie bestimmt mit ein paar Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Aber immerhin waren sie wieder zusammen ... Und wie machen wir es jetzt hier? Ist es okay, wenn ich den Vorhang vor der Tür zuziehe? Dann scheint immer noch ein bisschen der Mond in den Wagen, aber ihr habt es wärmer.« Vor den Fenstern gab es Insektennetze und vor der Türöffnung einen Vorhang, sodass man alles so einrichten konnte, wie es einem angenehm war. »Summer, ich gehe ins Haus und schwatze noch ein bisschen mit Euan und deiner Mum. Aber wir schlafen dann im Zelt, also weißt du, wo du uns findest.«
Summer nickte
Weitere Kostenlose Bücher