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Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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vergossenen Tränen verschwamm.
    Als sie das Ende der Auffahrt erreicht hatte, tat sie das, womit sie die ganze Zeit über insgeheim gerechnet hatte: Statt nach links auf die Hauptstraße nach London abzubiegen, fuhr sie nach rechts. Sie wollte nur nachsehen, ob Euan zu Hause war. Sie hatte nicht das Gefühl, dass sie sich am Abend zuvor richtig verabschiedet hatte.
    Weder an der Straße noch in der Auffahrt stand ein Auto. Trotzdem hielt sie an, ging den Weg hinauf und klingelte vorn am Cottage. Sie wartete, aber niemand kam. Als letzte Hoffnung stapfte sie hintenherum auf die Wiese. Der Wohnwagen war verschlossen, genau wie neulich, als sie vorbeigeschaut hatte, nachdem sie Summer wiedergefunden hatten. Aber vielleicht hatte Euan auch gar nicht dort übernachtet – das Haus war ja fertig renoviert. Sie konnte es ihm nicht verdenken, nicht nach den erschütternden Ereignissen der letzten Woche und in dem Bewusstsein, dass Summer die Letzte war, die hier geschlafen hatte.
    Widerstrebend trottete sie zurück zu ihrem Wagen. Ihre Enttäuschung war unangemessen groß. Niemand hatte ihm angekündigt, dass sie käme. Warum also hatte sie damit gerechnet, dass er zu Hause war und auf sie wartete, für den Fall, dass sie vorbeischaute? Vielleicht wohnt er immer noch bei seiner Schwester, fiel ihr ein.
    Jude fuhr weiter, anstatt umzukehren, und tat vor aller Welt so, als habe sie absichtlich diesen Weg eingeschlagen. An der Einmündung zur Foxhole Lane hielt sie an und lehnte sich an das Lenkrad. Ihre Augen blieben trocken, aber innerlich fühlte sie sich ein bisschen leer. Sie hatte Euan wirklich sehen wollen. Ist schon in Ordnung, beschwichtigte sie sich, er hat gesagt, dass er dich anruft. Dann zog sie ihre Landkarte hervor und suchte sich einen anderen Weg zur Straße nach London.

36. Kapitel
    »Jude, wenn Sie kurz Zeit haben, könnten wir uns zusammensetzen und über Ihren Text sprechen? Ich habe ihn durchgesehen, gleich gestern, nachdem ich ihn bekommen habe. Er gefällt mir sehr gut.« Am Montag bei »Beecham’s« hatte Jude es kaum am Empfang vorbeigeschafft, als sie Bridget begegnete, die auf dem Weg zu einem Meeting war.
    »Unglaublich, Bridget. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie sich den Text noch am Wochenende anschauen.«
    »Unglaublich muss ich auch sein. Viel Zeit bleibt mir nicht mehr«, erwiderte sie und tätschelte ihren Babybauch. »Um elf, einverstanden? Ich komme zu Ihnen.« Ihr Handy klingelte, und sie fummelte an dem Apparat herum. »Die Fotos von dem Anwesen sind übrigens fantastisch.«
    In der Abteilung Bücher und Manuskripte hatte Jude kaum Gelegenheit, Suri und Inigo zu begrüßen, als Klaus auch schon hereinstürmte. »Morgen, zusammen! Jude, wie läuft’s? Meeting bei mir im Büro in zehn Minuten?«
    »Okay«, sagte sie, wie benommen von all der Geschäftigkeit. Das rasante Tempo des Büroalltags brachte sie ziemlich aus dem Gleichgewicht.
    »Ich hole dir einen Kaffee, wenn du möchtest.« Suri stand auf. Erfreut stellte Jude fest, dass ihre Kollegin den hübschen silbernen Armreif trug, den sie ihr geschickt hatte.
    »Oh, das wäre nett«, sagte sie, gab ihr ein paar Münzen für den Automaten und sank auf ihren Stuhl. Einen Moment lang fühlte sie sich außerstande, den Computer hochzufahren. Und doch wusste sie aus Erfahrung, dass die geschäftliche Routine sie am Ende des Tages wieder vollkommen aufgesogen haben würde.
    Es war schrecklich gewesen, am Freitag nach London zurückzukehren und sich zur Hauptverkehrszeit schleichend durch die Straßen zu quälen. Ihr kleines Haus fühlte sich auch nicht mehr an wie ein sicherer Hafen. Es roch muffig, und offensichtlich hatten ein paar Mäuse eine Party gefeiert – überall in der Küche lagen Köttel.
    Außerdem – und das war viel wichtiger – hatte sich das Gefühl eingeschlichen, dass etwas fehlte, nicht mehr vorhanden war. Mark. Noch nie zuvor hatte sie es sich eingestanden, aber nun war es so weit. Er war nicht mehr da. War aus ihrem Leben verschwunden wie ein Hausgespenst, das sie endlich gebannt hatte. Und doch fühlte sie sich nicht einsam. Sie hatte das Gefühl, sie selbst zu sein.
    In der Post fanden sich fast nur Rechnungen – sieh an, eine Postkarte von Caspar war auch dabei. Sie zeigte ein mittelalterliches Dorf, das hoch oben an einer Felswand klebte. Die Nachricht war in schmalen, sauberen Großbuchstaben geschrieben, als wäre er so sehr an die Computertastatur gewöhnt, dass er vergessen hatte, wie man richtig

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