Die Karte Des Himmels
kündigen solle und sich einen Job an der Hochschule suchen.
»Oh, Inigo, sei nicht albern«, sagte Jude, »du bist gut! Du hängst nur momentan ein bisschen durch. Wenn du in einem Jahr zurückblickst, wirst du es genauso sehen.« Jetzt, wo es ihr offensichtlich recht gut ging, konnte sie ihm gegenüber großzügig sein. Für ihn war der Job gleichbedeutend mit seinem Leben, während sie in den vergangenen paar Wochen festgestellt hatte, dass ihr auch noch andere Dinge wichtig waren – ihre Familie, Freunde und vielleicht sogar, sich irgendwann noch einmal mit jemandem häuslich einzurichten. Und Inigo beherrschte sein Metier. Er hatte dem Auktionshaus viele Aufträge verschafft. Seine umsichtige und gründliche Arbeit sowie sein charmanter, wenn auch manchmal etwas öliger Umgang mit den Kunden zahlte sich normalerweise aus. Okay, Suri und sie lachten über ihn, wenn sie unter sich waren, und mit seinem Modebewusstsein war er ungefähr ein Jahrhundert hinter der Zeit. Aber manche Leute schätzten das altmodische Dandy-Image bei einem Mann, der mit kostbaren Familienerbschaften zu tun hatte. Gewollt moderne Anzüge konnten leicht ein bisschen geldgierig wirken.
»Wie auch immer«, sagte Inigo. »Erzähl mir von dieser Starbrough-Sammlung.« Sie berichtete alles, was sie über Anthony und Esther wusste. Als sie merkte, dass er sich wirklich für die Geschichte interessierte, und weil sie ihn jetzt ein bisschen mehr mochte, seit er sich ihr anvertraut hatte, beschloss sie, ihm ebenfalls zu vertrauen, und erzählte ihm von Gran und Tamsin und Summer.
»Es kommt mir vor, als hätte das Schicksal mich auserkoren, diesen Auftrag zu übernehmen«, sagte sie und verspürte sofort den Anflug eines schlechten Gewissens, weil ihr einfiel, dass Robert Wickham bei seinem ersten Anruf nach Inigo gefragt hatte. Nein, das wollte sie lieber nicht erwähnen. »Es hat mir die Gelegenheit gegeben, alle möglichen Dinge ins Reine zu bringen. Wenn du willst, zeige ich dir die Halskette, wenn wir wieder im Büro sind. Ich gebe sie bald aus den Händen, weil sie noch fotografiert werden soll.«
Die Schachtel mit der Halskette hatte Jude im Safe der Abteilung deponiert. Zurück im Büro, holte sie den Schmuck aus dem Safe und legte ihn sich aus Spaß um den Hals. Sie trug ein Top mit tiefem rundem Ausschnitt, und die Kette lag warm und leicht auf ihren Schlüsselbeinen.
»Was meinst du?«, fragte sie und drehte sich zu ihm hin.
»Oh, sie ist wirklich schön«, sagte Suri. »Passt zu deinem Teint.«
Jude freute sich. Summers Haut war wie ihre, also würde die Kette auch zu ihr passen.
Inigo sah verwirrt aus.
»Stimmt irgendwas nicht?«, fragte Jude.
»Nein«, sagte er, »alles in Ordnung. Ich denke nur gerade nach. Kommt mir irgendwie bekannt vor, das ist alles, aber ich kann nicht sagen, warum. Darf ich mal sehen?« Er streckte die Hand aus, und sie ließ die Kette in seine schmale Handfläche gleiten. Inigo hob sie ins Licht, sodass sie funkelte und schimmerte, und gab sie Jude zurück. »Nein«, sagte er kopfschüttelnd, »es fällt mir nicht ein.«
Jude brachte die Kette zurück in den Safe und vergaß die Angelegenheit.
37. Kapitel
Die nächsten Tage verflogen in reger Geschäftigkeit. Ein Experte für historische astronomische Instrumente reiste aus Oxford an und versprach, bis zum Ende der Woche einen schriftlichen Bericht zu schicken. Jude katalogisierte einen weiteren Stapel Bücher aus Starbrough Hall und versuchte, an ihrem Artikel zu arbeiten. Sie überprüfte ein paar Quellenangaben und klärte verschiedene Fragen, wurde aber trotzdem das quälende Gefühl nicht los, dass sie sich noch mehr anstrengen müsste, um herauszufinden, was mit Esther passiert war. Die Suche nach Archiven von Zeitungen aus Norfolk im Internet ließ zunächst einen weiteren Besuch in Norwich notwendig erscheinen, aber dann fand sie heraus, dass das vielversprechendste Blatt, der Norwich Mercury , im Zeitungsarchiv in Colindale im Norden Londons verfügbar war. Laut dessen Online-Katalog waren dort Ausgaben von der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts archiviert, und so vereinbarte sie einen Besuch.
Am Donnerstagnachmittag fuhr sie mit dem Zug in Richtung Norden nach Edgware. Das Archiv war in einem großen Haus aus rotem Backstein untergebracht, das über den zusammengedrängten Kleinstadthäusern auf der gegenüberliegenden Seite herausragte. Im Obergeschoss führte man sie zu dem entsprechenden Regal – einer von mehreren hundert Reihen,
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