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Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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und sanft zupfte, merkte sie, dass es feststeckte. Also rutschte sie ein bisschen herum und versuchte, die andere Hand ebenfalls in die Lücke zu stecken, um herauszufinden, woran das Papier festhing. Sie fühlte noch mehr Papier. Es schien ein ganzes Bündel zu sein. Sie umfasste es mit beiden Händen und zog noch einmal. Diesmal rührte sich etwas, und sie zerrte das Bündel aus dem Loch.
    Der Fund bestand aus einem dicken Packen aufgerollter Blätter, die von einer verblassten Handschrift bedeckt waren, derselben, wie sie rasch erkannte, wie in dem Tagebuch, das sie gerade gelesen hatte. Sie schlug das Buch am Ende auf, fügte die Blätter in die zerrissene Bindung ein und stellte fest, dass sie die fehlenden Seiten überraschenderweise gefunden hatte. Wie merkwürdig! Warum waren die Blätter herausgerissen worden? Sie versuchte, sie glatt zu streichen, achtete sorgfältig darauf, sie nicht noch mehr zu zerstören, aber sie rollten sich trotzdem wieder auf. Immerhin war das Papier nicht feucht – wirklich ein Glücksfall, wenn man das Versteck bedachte. Die Schrift war sehr verblasst und schwierig zu entziffern. Judes Anspannung wuchs, als sie ihren Fund zum Tisch trug, die Lampe anknipste und versuchte, die erste Zeile zu entziffern. Es war ein Titel. »Ein Bericht von Esther Wickham«, glaubte sie zu lesen. Den Namen hatte sie noch nie zuvor gehört. Unter großen Schwierigkeiten buchstabierte Jude die ersten Sätze. »Ich war ...«, irgendetwas. Acht vielleicht. Du liebe Güte, war das ganze Dokument so unlesbar wie diese Zeilen? Aber als sie die erste Seite umschlug, sah sie, dass die Handschrift auf der zweiten dunkler und leichter zu entziffern war. Ermutigt wandte sie sich wieder der ersten Seite zu und fing an, sich die verblassten Buchstaben zusammenzureimen. Zuerst klang die Stimme unsicher, und die Sätze waren viel zu kompliziert, aber es dauerte nicht lange, bis es flüssiger wurde.
    Ein Bericht von Esther Wickham
    Ich war acht Jahre alt, als ich das erste Mal meinem Vater begegnete. Wie das sein konnte, da ich von klein auf unter seinem Dach schlief, seine Speisen verzehrte und von seinen Dienern versorgt wurde, mag schwer zu begreifen sein, solange man nicht mit den Einzelheiten der Situation vertraut ist. Sobald man Anthony Wickham verstehen lernt, so wie ich ihn kannte, die feinen Verästelungen seines Geistes zu schätzen weiß und seine – wie manche sagen – unnatürliche Hingabe an eine einzige Leidenschaft, wird alles klar werden.
    Ganz am Anfang war er überhaupt nicht mein Vater. Die Bindung zwischen Vater und Tochter haben wir erst spät gesucht und gemeinsam aufgebaut. Das ist entgegen der Gewohnheit, die bedeutet, dass zuerst die Bezeichnung ›Vater‹ und ›Tochter‹ kommt, bei der Geburt des Kindes, und die Nähe zwischen ihnen folgt nach. In unserem Fall geschah es einige Jahre, nachdem wir miteinander bekannt geworden waren, dass er seinen Anwalt anwies, jene Sache mit einem Rechtstitel zu versehen, welche wir schon zur Wirklichkeit hatten werden lassen: kurz, er hat mich adoptiert und zu einer der Seinigen gemacht.
    Das meiste davon erzählte er mir erst, als ich das vierzehnte Jahr erreicht hatte, denn er hielt es nicht für angemessen, ein Kind mit Sorgen zu belasten, welche die Älteren drückten. Mag es genügen zu erwähnen, dass ich, sobald ich empfindsam für solche Dinge war, in dem Glauben aufwuchs, ich sei sein Kind, Fleisch von seinem Fleisch, Blut von seinem Blut. Das zu glauben drängte mich Susan, meine Amme. Die Bahnen ihres Geistes, wie ich später begriff, verliefen so: Da ich ja hergebracht worden war, um unter dem Dach seines Hauses aufzuwachsen, ohne den Namen einer Familie, den ich mein Eigen nennen konnte, musste ein Harnisch der Würde für mich geschmiedet werden. Er hatte verfügt, dass ich ›Esther‹ genannt werden solle, nach der alten Herrin, seiner Mutter. Daher befahl er der Dienerschaft, mich Esther Wickham zu rufen. Als ich größer wurde, hörte ich gedämpftes Gemurmel unter der Treppe und Bemerkungen meiner lieben Tante Pilkington, über welche ich noch ausführlicher berichten werde, dass ich kein Anrecht auf den Namen Wickham habe, dass ich eine Waise sei oder der Bastard des Masters, geboren von irgendeiner Frau, die er auf einer seiner zahlreichen Reisen nach London oder Bristol kennengelernt hatte, wo er sich mit anderen Sterndeutern beratschlagte und von wo er beladen mit gelehrten Büchern zurückkehrte und mit Metallspiegeln, um

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