Die Karte Des Himmels
ich könnte bei Ihnen wohnen, während ich mir die Bücher genauer ansehe.« Jude erklärte, dass sie die Tagebücher an Cecelia weitergegeben hatte. »Ich könnte mit der Katalogisierung anfangen. Es wäre schöner, wenn ich das bei Ihnen erledigen könnte, als alles hierherzutransportieren. Es sei denn, es bereitet Ihnen zu viele Umstände ...«
»Das ist eine wunderbare Idee! Aber wenn Sie bei Ihrer Schwester bleiben, müssen Sie doch wieder auf dem Fußboden übernachten. Nein, das kommt nicht infrage«, sagte Chantal freundlich, aber bestimmt. »Sie müssen bei uns bleiben. Wir haben reichlich Platz, wie Sie wissen, und es wäre so schön, Sie wiederzusehen. Ich werde Alexia fragen. Sie ist gestern Abend zusammen mit den Kindern nach Hause gekommen, wissen Sie.«
»Ich kann mich Ihnen allen doch unmöglich aufdrängen.« Jude kreuzte die Finger unter dem Tisch, als sie so schamlos log.
»Ach, das tun Sie doch gar nicht. Robert schätzt Sie sehr, und ich weiß, dass er sich freuen würde, wenn Sie für ein oder zwei Wochen unser Gast wären. Sie könnten frei über Ihre Zeit verfügen und bräuchten sich nicht um uns zu kümmern. Sie könnten arbeiten oder Ihre Schwester oder Ihre Großmutter besuchen, wann immer Sie wollen.«
»Sie sind wirklich außerordentlich freundlich.« Voller Sehnsucht dachte Jude an die wunderschöne Bibliothek und an die Gespräche, die sie mit dieser sympathischen Frau geführt hatte. »Das wäre wunderbar! Wenn Sie wirklich meinen, dass Robert und Alexia nichts dagegen haben.«
»Sobald sie zurück sind, werde ich mit ihnen sprechen. Aber ich versichere Ihnen, dass es keine Schwierigkeiten geben wird.«
Als Jude das Telefonat beendete, fühlte sie sich unendlich erleichtert. Ja, so war es richtig. Norfolk war es, wo sie sein musste.
T EIL II
13. Kapitel
»Es tut mir leid, Caspar«, flüsterte Jude, als die letzten Fetzen eines Traums sich verflüchtigten und schon vergessen waren. Sie schlug die Augen auf.
Sie lag in einem großen Doppelbett zwischen weichen weißen Laken, und die Sonne flutete ins Zimmer. Den Bruchteil einer Sekunde später erinnerte sie sich, wo sie sich befand. Starbrough Hall war von einer köstlichen Ruhe erfüllt. Wenn sie lauschte, konnte sie draußen die Vögel zwitschern hören, irgendwo in der Ferne vielleicht den schnurrenden Motor eines vorbeifahrenden Autos, aber sonst gab es keine Geräusche. Sie rollte sich auf die andere Seite und warf einen Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch. Acht. Immerhin noch nicht so spät, dass man sich schämen musste.
Es hätte kein besseres Zimmer geben können, um am ersten Tag ihres Sommerurlaubs aufzuwachen. Fenster an zwei Wänden, die die Morgensonne ins Zimmer ließen, und die Schlafzimmer der Familie auf der anderen Seite des Hauses. »Sie wollen doch bestimmt nicht, dass unser lieber guter Max und unsere liebe Georgie Sie schon morgens um sechs stören«, hatte Alexia ihr am Abend zuvor fröhlich erklärt. »Und das Bad nebenan haben Sie auch ganz für sich allein.«
Es gab kein passenderes Wort als »fröhlich«, um Alexia zu beschreiben. Wenn sie sprach, klang sie unbeschwert und glücklich, und sie war auf eine unauffällige, gesunde und fast schon strahlende Art attraktiv. Ihr Umgang mit den dreijährigen Zwillingen war ruhig und ermunternd und passte sich nur ein wenig an, wenn sie ihren Ehemann besänftigte, der einen geregelten Tagesablauf schätzte, wie Jude bemerkte. Alexia war als Tochter einer bäuerlichen Familie in Yorkshire aufgewachsen und kümmerte sich ebenso um die Hausverwaltung wie um die Hunde und ihre trauernde Schwiegermutter. Es schien sie nicht im Geringsten zu stören, einen unerwarteten Gast aufzunehmen.
Jude freute sich über die Abgeschiedenheit ihres Badezimmers. Als sie Wasser in die große, altertümliche Badewanne mit Klauenfüßen einließ, klackte und stöhnte es in den Leitungen so sehr, dass sie befürchtete, das ganze Haus aus dem Schlaf zu reißen.
Als sie wieder aus dem Wasser stieg, war ihr Geist so frei und erfrischt wie ihr Körper. Kaum zu glauben, dass sie erst am Vorabend erhitzt und verstaubt angekommen war – der lebhafte Verkehr am Freitagnachmittag hatte sie eine zusätzliche Stunde Fahrzeit gekostet. Aber durch den guten Nachtschlaf und die tiefe Stille im Haus hatte sie sich rasch erholen können. Die seelische Erschütterung wegen Caspar und der Stress im Büro waren vollständig verflogen.
Unten begann das Frühstück. Die pausbackige Georgie mit
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