Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
Vom Netzwerk:
er wie zu sich selbst. »Haben sie dich vielleicht mit einer Nachricht geschickt?«, fragte er. »Ist jemand krank? Oder schlimmer?«
    »Eine Nachricht? Nein«, stotterte ich verwirrt, erinnerte mich dann an unseren Schinken und war dankbar für die Ausrede. »Obwohl ... ich habe das Abendessen für dich.« Ich zog das Päckchen aus Ölpapier hervor, das ein bisschen zerdrückt war. Irritiert schaute er es an, stopfte es aber in seine Tasche. Ich sah mich um. Von Matt keine Spur. Ich betete, dass er in Sicherheit war, und beruhigte mich mit dem Gedanken, dass er bestimmt nach Hause gerannt war.
    »Warum sollten sie das Kind schicken?«, sagte mein Vater zu sich selbst, aber ich konnte ihm ansehen, wie seine Gedanken bereits abschweiften. Er griff in seinen Mantel, zog eine Taschenuhr heraus und hielt sie so, dass genügend Licht darauf fiel, um die Stunde ablesen zu können. »Komm mit«, sagte und steckte die Taschenuhr wieder ein. Er nahm meine kalte Hand in seine warme und führte mich zum Turm. Nun war ich bei ihm, und nun hatte ich keine Angst mehr.
    »Ich bringe dich nach Hause. Aber vorher muss ich noch einige Messungen durchführen.«
    Er führte mich durch die Tür unten am Turm, und sogleich waren wir in kalte Dunkelheit getaucht. »Warte«, sagte er, und an diesem Ort hatte seine Stimme einen merkwürdig tiefen Klang. Ein Zündholz blitzte auf, und die Funken schossen hoch zu einer Flamme. Ich schaute zu, wie er eine kleine Laterne anzündete, und staunte über die Wellen des Lichts und der Schatten, die über die Mauern glitten. Eine akkurate Spirale aus Ziegelstufen erhob sich vor uns, und er bedeutete mir mit einer Handbewegung voranzugehen. Also stieg ich hinauf, ertastete meinen Weg mit Händen und Knien. Meine Finger waren starr vor Kälte und Angst. Ich kletterte, wie es schien, eine Ewigkeit, bis wir plötzlich in einen kreisrunden Raum traten, der ringsum mit Fenstern versehen war. An der Wand stand ein Tisch, auf dem eine Laterne brannte, und in diesem Licht erblickte ich zum ersten Mal die Welt in diesem Zimmer, in welchem ich jetzt sitze.
    Es sah aus, dachte ich damals und denke ich heute noch, wie eine Kabine in einem großen Schiff aussehen mag. Und es gab mir auch das Übelkeit erregende Gefühl, das mich einmal überkommen hatte, als ich eine große Buche hinaufgeklettert war, um Matt herauszufordern, und spürte, wie sie im Wind schwankte. Eine hölzerne Leiter führte zum Dach hinauf und zu einem Viereck, durch das blasses Licht einfiel. »Noch einmal aufwärts«, ertönte die Stimme meines Vaters hinter mir, und weil es mich danach verlangte, ihn zu beeindrucken, überwand ich mein Zögern und legte die Hände auf die Sprossen. »Ich werde dich nicht fallen lassen«, sagte er sanft, als er meine Angst spürte, und so kletterte ich, glücklich über seine beschützende Anwesenheit hinter mir, weiter.
    Wir traten hinaus auf eine kleine Plattform aus Ziegelsteinen, die ringsherum von einer niedrigen Brüstung umgeben und oben mit einem Baldachin versehen war, und dort – ein Wunder! Er hatte die Leinwand des Baldachins zurückgerollt, und ein Teleskop, so lang wie ein Heurechen und dicker als der Oberschenkel eines Mannes, zeigte hinauf in den Nachthimmel.
    »Setz dich«, befahl er und zeigte auf eine schmale Bank. Dankbar wegen meiner schwankenden Sinne sank ich darauf nieder und sah zu, wie er selbst auf einem hohen Schemel Platz nahm und wie sich seine Gesichtszüge entspannten, als er nach dem Fernglas griff und es an die Augen drückte. Mehrere Minuten vergingen auf diese Weise – er starrte durch das Fernglas, und ich schaute mich währenddessen verstohlen um. Über dem Rand des Turmes seufzten und wiegten sich die Wipfel der Bäume in der Dunkelheit, nie kamen sie zur Ruhe. Eine Eule schrie, eine andere antwortete. In weiter Ferne bellte eine Füchsin, ein hässliches Geräusch. Neben meinem Vater stand ein kleiner Tisch, auf dem ein größeres Notizbuch lag, daneben befanden sich seine Taschenuhr und ein paar sonderbar geformte Instrumente, und ich schaute zu, wie er eines ergriff, es in den Himmel hielt und laut ein paar Zahlen ablas. Dann ergriff er einen Bleistift und kritzelte rasch etwas in sein Notizbuch. Das wiederholte er mehrere Male.
    »Ich bin fertig«, sagte er schließlich, schaute auf seine Uhr und steckte den Stift zurück in den Becher. Er erhob sich von seinem Stuhl und machte sich daran, die Leinwand zuzuziehen. In diesem Moment überkam mich ein großes

Weitere Kostenlose Bücher