Die Karte Des Himmels
Name Ihres Sterns eingetragen. Und da ist noch eine Karte des Nachthimmels, sodass Sie sehen können, wo er ist. Wir nehmen nur Sterne in der nördlichen Hemisphäre. Ihr geliebter Mensch kann also wirklich erwarten, ihn zu sehen, wenn auch nur mit einem Teleskop. Und hier schreiben wir die Koordinaten hinein, sodass Sie ihn finden können. Dazu gibt es dann noch das Büchlein über die Betrachtung des Nachthimmels ... oh, und mein Gedicht.«
»Und das alles für zwanzig Pfund? Das nehme ich! Für den Sechzigsten meiner Großmutter. Also, der Stern soll Trixie Tonkins heißen.«
Jude hatte sich in die Schlange eingereiht, um das Armband zu bezahlen, und musste ihr kurzes Gelächter in einem Hustenanfall verbergen. Aber es war nicht zu übersehen, dass dem Mädchen die Vorstellung eines edlen Himmelskörpers mit dem Namen Trixie Tonkins genauso komisch vorkam, denn sie fragte ängstlich: »Und glauben Sie wirklich, dass das in Ordnung geht?«
Lobenswerterweise verzog Claire keine Miene. »Selbstverständlich. Astronomen arbeiten sowieso eher mit Zahlen als mit Namen. Es wird sie also wenig interessieren, was wir machen. Das ›Star Bureau‹ erstellt in regelmäßigen Abständen ein Verzeichnis, um die Namen zu veröffentlichen. Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass es auch noch andere Firmen gibt, die diesen Service anbieten. Aber da mehr als fünfzehn Millionen Sterne bekannt sind, gibt es mehr als genug für alle, die einen wollen.«
Darüber war es einmal zwischen Jude und Claire zu einem Streit gekommen. »Findest du nicht, dass du die Leute an der Nase herumführst? Schließlich werden die Sterne niemals amtlich nach den Namen benannt, für den die Leute zahlen. Ist das eigentlich erlaubt?«
»Ich erkläre es den Leuten immer«, hatte Claire heftig widersprochen, »aber es sieht so aus, als wollten sie immer noch einen Schritt weitergehen. Es geht doch mehr um das Symbol, einen Stern zu benennen, oder? Es ist eine besondere Sache für jemanden, eine ganz persönliche Angelegenheit. Die Kunden interessiert es nicht, ob irgendein Langweiler bei der NASA dem Stern offiziell diesen Namen gibt oder nicht.«
»Mit Geld kann man keine Liebe kaufen – auch keinen Stern«, murmelte Jude.
»Summer liebt ihren Stern«, hatte Claire erwidert. »Sie weiß genau, wo sie nach ihm suchen muss, und zeigt ganz aufgeregt hin, wenn sie glaubt, ihn entdeckt zu haben. Eigentlich kann sie ihn mit bloßem Auge gar nicht erkennen. Aber du kennst ja Summer. Sie glaubt, alles besser zu wissen.«
Vielleicht ist das der Grund, weshalb Claire nie einen Stern nach mir benannt hat, dachte Jude plötzlich, sie hält mich für zu misstrauisch. Obwohl Claire sich irrte, begriff Jude, warum ihre Schwester davon überzeugt war.
»Gib ihr Mitarbeiterrabatt für das Armband, hörst du, Lol? Zwanzig Prozent«, sagte Claires Partnerin Linda zu Lola, der Aushilfe an der Kasse. Lindas manikürte Finger glitten geübt über den Taschenrechner. »Sagen wir zwölf Pfund.«
»Wollen Sie eine Geschenkverpackung?«, fragte der schüchterne Teenager und betrachtete das Armband sehnsüchtig. »Es ist wirklich hübsch ...«
»Ja, bitte. Oh, warten Sie noch einen Moment.« Judes Blick fiel auf ein Märchenbuch im Gestell vor dem Tresen. Sie zog es heraus und dachte, dass sie so was noch nicht in Summers Bücherregalen gesehen hatte. Die Illustration auf dem Titel dieses Buchs war zauberhaft – ein kuschlig dreinblickender Wolf, der sich an ein Rotkäppchen schmiegte, das offenbar genauso klug war wie er. Rasch blätterte sie durch die Seiten. Es gab Aschenputtel in der Kutsche, Schneewittchen, die aus ihrem vergifteten Schlaf erwachte, Hans, der an der Bohnenranke bis hinauf in die Wolken klettern konnte. Ja, Jude war überzeugt, dass Summer die Illustrationen gefallen würden. Die Figuren schienen förmlich aus den Bildern zu springen. Der Name des Autors kam ihr irgendwie bekannt vor. Und das Buch gab es offenbar deshalb im »Star Bureau« zu kaufen, weil es im Verlag Little Star Books erschienen war. Sie lächelte. Ein kleiner Betrug, aber warum nicht.
»Ich konnte nicht widerstehen, das Buch in unser Sortiment aufzunehmen«, bemerkte Linda, als ob sie Gedanken lesen konnte. »Streng genommen hat es nichts mit Sternen zu tun, aber zwei oder drei haben wir schon verkauft.«
Die Frau, die hinter ihr darauf wartete, bezahlen zu dürfen, seufzte entnervt.
»Es ist hinreißend«, sagte Jude. »Ich möchte das hier bitte auch noch mitnehmen.
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