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Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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mit Blick auf die Brüstung.
    »Ich glaube schon, aber anlehnen würde ich mich nicht«, sagte er wie abwesend, denn der Blick zu den Sternen hatte ihn schon ganz gefangen genommen, was auch immer er durch die Linse gerade betrachten mochte.
    Zur Sicherheit wollte sie einen Schritt näher auf ihn zumachen, aber ein kurzer Blick hinunter auf die Bäume jagte ihr schon wieder einen Schrecken ein. Sie blieb stehen und verscheuchte eine beängstigende Vorstellung, die plötzlich in ihr aufgetaucht war – Summer hier oben auf der Plattform. Aber er hatte sie doch nicht hier heraufgebracht, oder? Jude erinnerte sich, was Chantal über den Unfall erzählt hatte, der sich hier vor vierzig Jahren ereignet hatte. Es gehörte nicht viel dazu, hier herunterzustürzen, besonders wenn man Alkohol getrunken oder Drogen genommen hatte. Schon der bloße Gedanke machte sie ganz benommen, und sie setzte sich wieder auf den Boden.
    »Sie müssen sich das hier ansehen«, sagte Euan bestimmt. Er half ihr wieder auf und hielt sie an den Schultern, nachdem sie das Okular gefunden hatte.
    »Ich kann nichts erkennen. Ich hab zu viel Angst. Nein, warten Sie, da ist was.«
    Das, was in ihr Blickfeld gelangte, war wie ein Topas, gefasst in einen himmlischen Kranz aus Dunst und Licht.
    »Oh, mein Gott. Was ist das?«, stieß sie atemlos hervor.
    »Arktur«, erklärte er, »der Hüter des Bären. Er gehört zu den hellsten Sternen am Himmel und ist uns sehr nahe. Versuchen Sie mal, ihn mit bloßem Auge zu erkennen. Da.« Jude blinzelte in die Richtung, in die er zeigte. »Sehen Sie die Drachenform? Arktur befindet sich am unteren Ende der Konstellation. Sie heißt Boötes, Bärenhüter.«
    »Und was ist dieser Halbkreis da auf der linken Seite?« Jude fühlte sich gut, solange sie nicht nach unten schaute, und er stützte sie sicher ab. Sie spürte seinen Atem in ihrem Haar.
    »Im Nordosten, meinen Sie? Corona Borealis, die Nördliche Krone. Die Griechen sahen darin die Krone der Ariadne, der Tochter des kretischen Königs.«
    »Der vom Minotaurus?«
    »Ja. Der größte Stern in der Corona ist eine wiederkehrende Nova. Ungefähr alle hundert Jahre oder so verflüchtigt sie sich plötzlich und erholt sich dann wieder. Es liegt an der dunklen Masse, die in ihm explodiert. In Astrophysik kenne ich mich nicht besonders gut aus, fragen Sie mich also lieber nicht, was dunkle Masse bedeutet.«
    »Ist das für Ihr Buch nicht wichtig? Ihr neues gefällt mir übrigens sehr gut.«
    »Danke. Nur ansatzweise, und es interessiert mich auch, aber, wie gesagt, mein Schwerpunkt liegt auf den Antworten unserer Kultur auf die Sternenwelt über die Jahrhunderte. Warum wir überhaupt die Sterne beobachten und warum es für uns so wichtig ist, den Kosmos zu begreifen. Die Astronomie ist wahrscheinlich der älteste Zweig der wissenschaftlichen Forschung, wobei unsere entfernten Vorfahren natürlich einen anderen Begriff von Wissenschaft hatten als wir.«
    »Wenn wir zu den Sternen schauen, finden wir unseren Platz«, flüsterte Jude. Die Benommenheit und der Schrecken, den sie empfunden hatte, waren einer Art wohligem Schauder gewichen. Jetzt, wo Euan sie festhielt, war sie nicht mehr so nervös. Sie genoss es, mehr und mehr zu verstehen, was es mit den massenhaft über ihr tanzenden Lichtern auf sich hatte.
    Etwa eine halbe Stunde lang schauten sie gemeinsam in den Sternenhimmel. Dann bemerkte Euan, dass sie zitterte, und sagte, dass er unten eine Thermoskanne mit Kaffee habe. »Können Sie ein paar Minuten allein zurechtkommen?«, fragte er.
    »Ja, ich habe Sternguckerbeine entwickelt«, sagte sie, und das stimmte. Inzwischen fühlte sie sich hier richtig wohl, hoch oben über den bewegten Baumwipfeln, und obwohl es schon nach eins sein musste, war sie kein bisschen müde.
    Jude stand da und betrachtete das große Sternenzelt über sich, beobachtete, wie der Mond sich über den Himmel bewegte, und dachte darüber nach, wie still es war. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie Anthony Wickham in einer frostigen Nacht hier gesessen und die Bewegungen der Himmelskörper berechnet hatte. Was hatte er zu entdecken gehofft? Cecelia hatte nicht viel über ihn herausgefunden, auch nicht darüber, ob seine Erkenntnisse einen Beitrag zu dem großen Wissen geleistet hatten, das es über die Sterne schon gab. Was hatte ihn angetrieben? Sie konnte es nicht sagen. Obwohl sie mehr und mehr begriff, wie verlockend der Nachthimmel war.
    Euan kam zurück. »Das hier wird Ihnen das Herz

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