Die Karte Des Himmels
mich zu sich in sein Arbeitszimmer ein, wo wir es uns am Feuer gemütlich machten. Er lehrte mich Mathematik und Philosophie und brachte mir bei, wie ich meine Beobachtungen aufzuzeichnen hatte – allesamt Handwerkszeug, wie er erläuterte, das der Astronomie diente.
In meinen Augen ergaben die mathematischen Zeichen zu Anfang wenig Sinn. Es dauerte eine Weile, bis sich das änderte, aber ich fing seine Leidenschaft ein, die Geheimnisse des Himmels aufzuschließen, und bewahrte sie. Durch seinen Unterricht lernte ich auch viel über die fabelhaften Ungeheuer und die tragischen Kinder der Götter, die die Alten zum Gedächtnis an den Nachthimmel gebannt hatten. Von dort aus war es nur ein kleiner Schritt, um mich Griechisch und Latein zu lehren, sodass ich imstande sein würde, die alten Karten zu lesen und ein wenig über die erstaunlichen neuen Kenntnisse der Optik und der geheimnisvollen Eigenschaften des Lichts zu erfahren.
Und so bildete sich langsam das Muster unseres neuen gemeinsamen Lebens heraus. Mein elfter Geburtstag nahte heran. Ich kann mich noch gut an ihn erinnern, denn die Katze des Gärtners hatte Junge geworfen, und der Mann brachte mir eine schwarz-weiße, die ich Thomas nannte.
Man bemerkte es kaum, dass mein Vater manchmal die Kutsche bestellte und mit Taschen und Kisten nach Norwich oder London reiste, wo er, wie ich annehmen darf, andere Sterndeuter traf oder Händler optischer Instrumente aufsuchte. Denn häufig kehrte er mit einer Kiste zurück, die mit zerbrechlichen Linsen oder Spiegeln bepackt war, und schloss sich dann manchmal tagelang in seine Werkstatt ein, um zu schleifen und zu experimentieren.
Es geschah anlässlich einer dieser Gelegenheiten im Spätherbst des Jahres 1773. Er war nahezu eine Woche lang fort gewesen, als eine Bettlerin an unserer Küchentür auftauchte, um Zapfen und Bänder und so weiter zu verkaufen. Die Haube mit Spitze hatte es Betsy angetan, und sie fing an zu handeln. Susan bat Mrs. Godstone, mir ein paar Bänder zu kaufen. Ich hielt mich zurück, klammerte das kleine Kätzchen Thomas an mich und war doch fasziniert von der sonnengebräunten Haut der jungen Frau und ihren schönen fremden Augen und den lebhaften Bewegungen ihres kräftigen, schlanken Körpers, während sie sich bückte, um ihren Korb nach dem besonderen Himmelblau zu durchsuchen, das Susan für mich verlangte. Und als Susan mich vorwärtsdrängte, um die Farben zu probieren, beäugte die Frau mich misstrauisch, während sie darauf wartete, dass Susan ihre Wahl traf. Als sie uns Auf Wiedersehen sagte, blieb ihr Blick am längsten an mir haften, so als wollte sie sich meine Person ins Gedächtnis einprägen. Und das schreckte mich auf.
Anschließend saß ich im Dienstbotenzimmer, wo Susan meine neuen Bänder säumte, und lauschte dem Tratsch der Leute.
»Der Bauer hat gesagt, dass sie da sind«, verkündete Mr. Corbett bündig, als er Feuerholz nachlegte. »Stellt eine Nachtwache auf, bis sie wieder weg sind.«
»Waren wohl die Vagabunden, die das letzte Mal die Vögel gestohlen haben, nicht die Roma«, sagte Mrs. Godstone. »Ich hab sie aus ihren verlausten Betten gejagt, wisst ihr noch?«
»Ja, aber er lässt’s nicht drauf ankommen.«
»Wo wohnen die Zigeuner?«, fragte ich so leise, dass alle mich überrascht anschauten.
»Überall und nirgends«, antwortete Susan. »Ich nehm an, dass sie ihr Lager in der Lichtung an der Foxhole Lane aufgeschlagen haben.« Dieser Weg führte am Turm vorbei.
Es muss wundervoll sein, dachte ich, mit einem Wagen durch die Lande zu ziehen und im Wald ein Lager aufzuschlagen. Aber weniger angenehm, wenn man kein Haus hat, in welches man morgens zurückkehren kann. Gleichwohl war ich neugierig, das Lager mit eigenen Augen zu sehen, und als ich Matt am nächsten Vormittag davon erzählte, schlug er rundheraus vor, dass wir es uns anschauen sollten.
Anstatt nach der Schule nach Hause zu gehen, machten wir uns zusammen auf den Weg vorbei am Cottage des Jagdaufsehers und den Hügel hinauf zur Foxhole Lane. Dann verbargen wir uns im Gebüsch und krochen über die Erde wie die Wilden, die einen Hirsch jagten und dessen Fährte aufgenommen hatten. Zuerst erreichte uns der Geruch des Feuers, dann hörten wir die Zweige im Feuer knacken, dann Stimmen in einer fremden musikalischen Sprache und raues Gelächter. Wir versteckten uns tiefer im Unterholz und starrten auf den seltsamen Anblick, der sich uns bot.
Drei Zelte und zwei offene Wagen, einst vielleicht
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