Die Karte Des Himmels
Ellbogen lag.
Ich gehorchte mit bebender Stimme. Das Buch begann mit einer ungewöhnlichen Behauptung: dass das gesamte Universum zahlreiche Sterne wie unsere Sonne und ebenso zahlreiche Planeten enthalten könne, die allesamt von seltsamen Wesen bevölkert seien, Gottesgeschöpfe, wie wir ihnen bisher noch nicht begegnet seien. Ich stolperte über unvertraute Wörter, und schon bald bat er mich, aufzuhören, allerdings keinesfalls unfreundlich, und fragte stattdessen, wie ich über solche Ideen dächte. Nun, erwiderte ich, es gibt wilde, fremde Tiere auf der Erde, welche ich noch niemals gesehen hätte, denn ich wusste nicht, welche Antwort er erwartete. »Manche Leute glauben, dass eine fremde Rasse den Mond bewohnt«, sagte er ernst, und ich nickte. Denn den Mond hatte ich viele Nächte lang angestarrt und war überzeugt, Gebäude und Wälder auf seiner Oberfläche entdeckt zu haben. »Falls es so ist«, fuhr er fort, »wie viele andere Planeten liegen noch außerhalb unseres Blickes, und was sind es wohl für Kreaturen, die dort leben mögen?«
Nachdem er später seine Schleifarbeiten beendet hatte, nahm er mich mit in seine Bibliothek und zeichnete die Bahnen der Planeten unseres Sonnensystems auf einer genialen Vorrichtung nach, die er nach dem großen Lord Boyle gefertigt hatte, geheißen ein Orrery, was mich an das Spiel gemahnte, das wir in der Schule gespielt hatten. Saturn mit seinen Ringen war mir so merkwürdig wie kein anderer Planet.
»Sechs Planeten umkreisen unsere Erde«, erläuterte er, »aber manche behaupten, es könnten noch mehr sein.«
»Ich würde gern einen weiteren Planeten entdecken«, erwiderte ich und hatte alle Schüchternheit verloren, »darauf will ich meinen Ehrgeiz richten.« Mein Vater war ein stiller Mann, schwieg oft und war in Gedanken verloren. Ich mochte es, wenn er mit mir sprach, denn obwohl er mich ein Kind nannte, stellte er mir Fragen, als ob ich seinesgleichen sei. Niemals lachte er über meine Antworten oder tat sie als kindisch ab. Er brauchte jemanden, mit dem er über seine Leidenschaften sprechen konnte, und mich hielt er, wie ich mir einzubilden erlaube, trotz meiner Beschränkungen für würdig.
Nach jenem Tag veränderte sich mein Leben, und das seine veränderte sich auch, wie ich annehme. Zwar besuchte ich noch die Schule, schlief im Kinderzimmer und aß mit Susan und der übrigen Dienerschaft, aber manchmal kam der Befehl, und Susan lieferte mich in der Werkstatt oder in seiner Studierstube ab. Ich war es, die die neuen Fernrohre im Gleichgewicht hielt, während er die Spiegel und das Okular in dem langen Holzbehältnis ausrichtete, und ich war an jenem warmen Septemberabend gegenwärtig, als die Männer es im Starbrough Folly installierten; meine Aufgabe war es gewesen, die Notizbücher meines Vaters zu tragen und dann still im Turmzimmer zu warten und seinen ungeduldigen Anweisungen zu lauschen, während die Männer sich mühten, es auf der oberen Plattform zu befestigen. Nachdem diese Aufgabe erledigt war, verbrachte er die kostbaren Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit damit, mit mir zusammen die Sternenkarte zu studieren, die er gezeichnet hatte, als er mich in seine Theorien über die Bahnen der Planeten eingeweiht hatte, in die Theorien über die Natur der Sterne und der Kometen, bis die Nachtfalter hereingeflattert kamen, angezogen vom Licht unserer Laterne, und wir die Sterne am Himmel aufziehen sahen. Die Zeit war gekommen, die Leiter hinaufzusteigen und die Himmel durch seine neuen Ferngläser zu betrachten.
Anfangs konnte ich nur wenig erkennen. »Übung macht den Meister«, sagte mein Vater und lachte, als er meinen Schmollmund sah. Nach dieser Nacht nahm er mich hin und wieder mit in den Turm, obwohl Susan über unpassende Uhrzeiten klagte. »Das Kind ist zu müde, um am Schulunterricht teilzunehmen«, schimpfte sie, und weil er ihr, was mich betraf, vertraute, gehorchte er und nahm mich trotz meines Bettelns seltener mit.
Das neue Fernrohr war ein Wunderwerk. Es enthüllte ihm einen Himmel voller Sterne, wie er es sich niemals hätte träumen lassen. Mein Vater vertiefte sich mehr und mehr in seine Arbeit, schlief oft lange in den Tag hinein, wenn er die ganze Nacht mit Himmelsbetrachtungen zugebracht hatte. Es mochte also sein, dass er mich in einer Woche mit klarem Himmel nicht zu sich rief. Aber andererseits gab es auch wolkige Zeiten, und im Jahr darauf war der Winter so hart, dass die Vögel erfroren vom Himmel fielen. Dann lud er
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