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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hindurchdrängen zu müssen.
    Kurze Zeit später hielten die Sänftenträger vor einem Haus, dessen Bewohner nach seiner Größe und seinem Zustand zu urteilen nicht zu den Armen gehörten. Giulia stieg aus, bezahlte die Männer und ging auf das reich geschnitzte Eingangstor zu. Dort schlug sie den Türklopfer an, der wie der Kopf eines hässlichen Riesen geformt war, und wartete angespannt auf das, was sich tun würde.
    Es dauerte einen Moment, bis die Türe geöffnet wurde. Ein Diener steckte den Kopf heraus und versuchte, Giulia abzuschätzen. Giulias einfacher Straßenrock schien jedoch seinen Ansprüchen nicht zu genügen, denn er schüttelte abwehrend den Kopf. »Bedaure, Ihr habt Euch wohl an der Tür geirrt.«
    »Ich suche meinen Vater, Girolamo Casamonte. Er hält sich doch hier auf, nicht wahr?« Giulia zog eine Sanpierinomünze aus der Tasche und steckte sie ihm zu.
    Ruvenzo war gewöhnt, Silber zu erhalten. Trotzdem verbeugte er sich tief vor Giulia und bat sie ins Haus. »Euer Herr Vater ist derzeit beschäftigt. Bitte setzt Euch doch und nehmt derweil mit einem Glas Wein vorlieb.«
    Giulia wunderte sich über den Stimmungsumschwung des Dieners, der ihr vor einem Augenblick noch am liebsten die Türe vor der Nase zugeschlagen hätte. Jetzt behandelte er sie wie einen lange entbehrten Ehrengast. Sie folgte ihm ins Haus, das von sanfter Musik erfüllt war. Da es Kurtisanen erlaubt war, in ihren Häusern vor den Gästen zu singen und Instrumente zu spielen, dachte sie sich nichts dabei. Im großen Salon aber fielen ihr als Erstes drei Musiker auf, von denen einer der Viola da Gamba, einer der Chitarrone und einer der Flöte recht angenehme Töne entlockten. Der Gambenspieler war unzweifelhaft ihr Vater.
    Jetzt entdeckte auch er sie und kam für einen Augenblick aus dem Takt. Er fasste sich jedoch sofort wieder und spielte weiter. Ein heftiges Keuchen lenkte Giulias Aufmerksamkeit auf eine große Liege, die in der Nähe der Nische mit den Musikern stand. Darauf lag ein Paar, das sich ungeniert dem ältesten Spiel der Menschheit seit Adam und Eva hingab. Die Frau war ein zierliches Geschöpf, der Mann aber ein ungeschlachter Riese, der mit so heftigen Stößen in seine zierliche Partnerin eindrang, dass Giulia glaubte, er müsse die Frau jeden Moment umbringen. Sie drehte ihren Kopf weg, um nicht mehr hinsehen zu müssen, und ärgerte sich, weil ihr Vater sich dazu hergab, zu diesem hässlichen Schauspiel auch noch die Musik zu machen.
    Unterdessen war Ruvenzo zu seiner Herrin geeilt und machte sie auf den neuen Gast aufmerksam. Donatella Rivaccio, die sich seit neuestem nur noch Signora Giroli nennen ließ, riss überrascht die Augen auf und musterte Giulia durch die Breite des Raumes. Sie sah den Abscheu, mit dem sich diese von dem kopulierenden Paar abwandte, und wunderte sich darüber. Schon mancher Kastrat hatte ihr Geld geboten, um ihren Mädchen heimlich bei der Arbeit zusehen zu dürfen, oft das Doppelte und Dreifache dessen, was ein Freier für sein Mädchen zahlte. Ob Girolamos Sohn sich darüber ärgerte, dass sein Vater in einem Kurtisanenhaus aufspielte? Die Hausherrin lächelte vor sich hin. Da würde dem jungen Nichtmann noch eine große Überraschung bevorstehen. Aber um ihres Mannes willen beschloss sie, ihren ganzen Charme einzusetzen, um Giulios Unmut zu vertreiben.
    Sie ließ sich von Bianca ein Glas ihres besten Weines einschenken und trug es persönlich zu ihrem Stiefsohn hinüber. Einen Moment schwankte sie, ob sie ihn gleich wie einen Verwandten ansprechen oder ihn zunächst wie einen vornehmen Gast begrüßen sollte. Sie entschied sich für Letzteres. »Seid mir willkommen, Messer Casamonte. Euer Vater hat viel von Euch berichtet, und wir waren alle schon sehr gespannt, Euch kennen zu lernen.«
    Giulia wollte ihr schon sagen, dass es dazu kaum noch Gelegenheit geben würde. Da röhrte der bullige Freier auf wie ein brünstiger Hirsch und fiel über seiner Partnerin zusammen. Giulia tat das Mädchen Leid, und sie streifte Donatella mit einem verächtlichen Blick. Im selben Moment wühlte sich die zierliche Kurtisane unter dem Mann hervor, sah ihre Herrin zufrieden grinsend an und klopfte ihrem erschöpften Liebhaber mit der flachen Hand spielerisch auf den Hintern. »Ihr wart heute wieder von bemerkenswerter Ausdauer, Erlaucht. Ich glaube kaum, dass es einen Mann gibt, der sich mit Euch messen kann.«
    Das Gesicht des Freiers glühte zufrieden auf, und er drückte sein breitflächiges

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