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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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getan.«
    »Es lindert nur sein Leiden. Besiegen muss er die Krankheit schon selbst.«
    »Ich danke Euch, dass Ihr Euch Beppo angesehen habt, und würde mich freuen, wenn Ihr ihm dieses Mittel weiterhin verabreichen könntet. Vielleicht gewähren uns Gott und die Heilige Jungfrau ein Wunder.« Giulia reichte Scharrnagl noch ein paar Münzen in der Hoffnung, dass er sich nach Kräften für Beppo einsetzen würde.
    Scharrnagl dankte ihr und versprach, jeden Tag mindestens einmal zu kommen und nach dem Kranken zu sehen. Danach verabschiedete er sich mit der Bemerkung, dass er einen anderen Kranken besuchen müsse.
    Der Glockenschlag des Stephansdoms erinnerte Giulia daran, dass sie dem Herzog von Württemberg ihr Erscheinen zugesagt hatte. Ihr war nicht zum Singen zumute. Aber wenn sie nicht im Palais Koloban erschien, würde sie den einzigen Menschen vor den Kopf stoßen, der bisher in dieser Stadt freundlich zu ihr gewesen war. Wenn sie vor diesem Auftritt zurückschreckte, würde ihre Melancholie schlimmer werden und sie vielleicht sogar unfähig machen, ihren Pflichten nachzukommen. Bisher hatte sie solche Zustände mit eiserner Disziplin überwunden, und das durfte jetzt nicht anders sein. Sie musste sich der Welt stellen, ganz gleich, wie es in ihrem Innern aussah.

IV .
    G iulia sah an sich herab und fand, dass sie sich nicht noch einmal umziehen musste. Wams und Hosen waren trotz ihres Ausflugs sauber geblieben. So beschloss sie, sich sofort auf den Weg zum Palais Koloban machen. Unterwegs kam sie am Stephansdom vorbei und lenkte ihren Schritt unwillkürlich in die Kirche. Heute hatte sie keinen Blick für die hoch aufragenden Pfeiler und die kunstvollen Fenster aus farbigem Glas. An einem der Seitenaltäre, der der Heiligen Jungfrau geweiht war, kniete sie nieder und sprach ein stilles Gebet. Da keine Messe stattfand, hatten nur einige wenige den Weg in das Gotteshaus gefunden, um ihre Bitten an die Heiligen ihrer Wahl zu richten. Keiner störte den anderen, auch der Mönch nicht, der die abgebrannten Kerzen auf den Altären durch neue ersetzte. Als er damit fertig war, beugte er sein Knie vor dem Hauptaltar und verließ den Dom wie ein Schatten, der sich in nichts auflöst.
    Als die Turmuhr die volle Stunde schlug, erhob Giulia sich und steckte etliche Münzen in den Opferstock. Dabei gelobte sie der Jungfrau Maria, ihr drei besonders schöne Kerzen zu stiften, wenn sie Beppo wieder genesen ließ. Nach der Ruhe im Gotteshaus schlug der Lärm der Straße wie eine Welle über ihr zusammen und reizte ihre angespannten Nerven. Dabei ging es in Wien noch nicht einmal so laut zu wie in den Straßen von Rom. Dennoch schien es Giulia, als würde sie sich nie an die Menschen hier gewöhnen können.
    Das Palais Koloban in der Sonnenfelsgasse war nicht zu verfehlen. Erst vor kurzem im italienischen Stil erbaut, wirkte es auf Giulia wie ein Gruß aus der Heimat. Sie unterdrückte die Tränen, die in ihr aufsteigen wollten, und trat mit klopfendem Herzen auf das mächtige, mit zwei Löwenköpfen aus Bronze geschmückte Portal zu. Die beiden Wächter vor dem Tor schienen sie schon erwartet zu haben, denn sie riefen einen Diener herbei. Der verneigte sich knapp und hielt ihr die Tür auf.
    Im Vorraum verneigte sich ein weiterer Diener vor ihr. »Wen darf ich den Herrschaften melden?«
    Giulia fühlte sich so nervös wie ein Füllen, das zum ersten Mal den Sattel spürt. »Ich bin Casamonte, der Sänger. Seine Hoheit, der Herzog von Württemberg, hat mich hierher bestellt.«
    Der Lakai schien genau diese Antwort erwartet zu haben, denn er nickte zufrieden. Noch höflicher bat er sie, ihm zu folgen, und führte sie über eine breite Marmortreppe ins Obergeschoss, wo sich bereits etliche Leute in einem großen, reich mit Gemälden verzierten Raum versammelt hatten. Zu Giulias Erleichterung befand sich der Herzog bereits unter den Gästen. Als der Diener ihren Namen ausrief, kam er sofort auf sie zu und lächelte sie aufmunternd an. »Willkommen, Casamonte. Ich freue mich, dass Ihr meinem Wunsch entsprochen habt. Meine Freunde sind schon ganz begierig darauf, Euch zu hören.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, fasste er Giulia am Arm und führte sie zu einer Gruppe von Frauen und Männern, die nach ihrem Gelächter zu urteilen in eine angeregte Unterhaltung vertieft waren. »Hier, meine Freunde, ist das versprochene Goldkehlchen. Darf ich Euch Herrn Casamonte aus Rom vorstellen?« Der Herzog beantwortete an Giulias statt ein paar

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