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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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launige Bemerkungen und stellte ihr die Herrschaften vor.
    Giulia verneigte sich vor Gräfinnen und Baronen, deren Namen ihr mehr als fremdartig vorkamen. Am meisten wunderte sie sich über die große Anzahl weiblicher Gäste. In Italien war es Sitte, dass nur die Damen des gastgebenden Hauses, ihre weiblichen Verwandten und einige wenige ältere Frauen bei solchen Festlichkeiten anwesend waren. Die Deutschen schienen nicht so viel Angst um die Ehre ihrer Frauen zu haben. Dann musste sie an Paolo Gonzaga denken, den die sittsame Abgeschiedenheit der italienischen Schönen nicht daran gehindert hatte, willige Beute zu finden. Vielleicht war es sogar besser, die Frauen an gesellschaftlichen Ereignissen teilnehmen zu lassen, denn wenn sie zu sehr behütet wurden, konnten sie umso leichter Opfer gewissenloser Schurken werden. »Das ist unser Gastgeber, Graf Koloban.« Christoph von Württemberg wies auf einen Mann mittleren Alters von angenehmem Äußeren, der zu seinen grünen Hosen ein gelb unterfüttertes scharlachrotes Wams trug. Am meisten erstaunte Giulia jedoch das große silberne Kruzifix auf seiner Brust. Solche Kunstwerke wurden zumeist von den Silberschmieden Roms oder anderer berühmter Wallfahrtsstätten gefertigt. Sollte Graf Koloban ein gläubiger Katholik sein? Dagegen sprach sein freundschaftlicher Umgang mit dem Ketzer Württemberg.
    Ihr blieb jedoch keine Zeit mehr, sich weitere Gedanken zu machen, denn die Frau des Grafen trat auf sie zu und reichte ihr die Hand zum Kuss. Sie überragte Giulia um mehr als eine Handbreit, wirkte mit ihrem hübschen Gesicht und ihren rötlichen Haaren jedoch sehr weiblich und attraktiv. »Ich freue mich, Euch unter unserem Dach zu sehen, Casamonte. Seit Ihr in Wien seid, weiß ich die Gnade Ihrer Majestät, bei ihren Abendandachten anwesend sein zu dürfen, erst so richtig zu schätzen.«
    Wenn Maria von Spanien der Gräfin Koloban das Privileg zusprach, mit ihr die Abendmesse zu feiern, musste sie eine gläubige Katholikin sein. Giulia beschloss, sich über nichts mehr zu wundern, sondern zu versuchen, über dem Gesang für ein paar Stunden ihre persönlichen Probleme zu vergessen. »Es ist mir eine Ehre, hier sein zu dürfen«, erwiderte sie und verneigte sich galant vor der Gräfin. Auf deren Wink brachte ihr ein Diener ein Glas Wein. Giulia trank einen Schluck und sah dabei die erwartungsfrohen Augen der übrigen Gäste auf sich gerichtet. Da keine Musiker anwesend waren, musste sie ohne Begleitung singen. Daran war sie bei privaten Feiern gewöhnt, auch wenn sie Musikbegleitung vorzog. Sie bat die Gastgeberin, ihr zu sagen, mit was sie beginnen sollte.
    Die Gräfin lachte hell auf. »Ihr seid zu höflich, Casamonte. Wie sollte ich um Eure Kunst wissen, da ich nie in Italien war und daher auch nicht das Vergnügen hatte, Euch weltliche Lieder singen zu hören.«
    »Der Kerl ist wahrscheinlich so arrogant, zu glauben, dass jeder weiß, was er von sich geben kann.« Die verächtlichen Worte zerrissen die gerade noch von fröhlichem Lachen erfüllte Atmosphäre.
    Giulia fuhr herum und sah Baron Falkenstein, der mit energischen Schritten auf Graf Koloban zustach. Die blassen Augen des Kammerherrn funkelten sie hasserfüllt an, und er fragte den Gastgeber Koloban scharf, ob er die Anwesenheit dieses Krüppels als persönliche Beleidigung auffassen sollte. Dabei zeigte er mit dem Daumen auf Giulia.
    Christoph von Württemberg trat zu Falkenstein und zog ihn beiseite. »Es war mein Wunsch, den Kastraten singen zu hören. Also beruhigt Euch wieder und entschuldigt Euch für Eure unbedachten Worte.«
    Falkenstein musterte den Herzog mit einem Blick, der deutlich zeigte, dass sich der Höfling am Kaiserhof auch über einen regierenden Herzog erhaben fühlte. »Ich entschuldige mich höchstens vor Gott und vor sonst niemand.«
    »Und das auch nur, wenn er gut gelaunt ist, und das ist eigentlich nie der Fall«, spöttelte eine Dame in Giulias Nähe leise.
    Auch die Mienen der anderen Gäste zeigten, dass Graf Falken-stein nicht sonderlich beliebt war. Giulia atmete erleichtert auf, wenn auch die Beleidigung wie Säure in ihrem Herzen brannte. Als ein aufmerksamer Diener dem Kammerherrn ein volles Weinglas reichte, ließ sie jenen Ton erschallen, dem schon etliche Gläser zum Opfer gefallen waren. Auch Falkensteins Glas hielt ihrer Stimme nicht stand und zerbarst in seiner Hand.
    Im ersten Augenblick waren die Gäste wie erstarrt. Doch dann kicherten mehrere Damen leise, und die

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