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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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seinerseits mit freundlicher Miene musterte. »Was wünscht mein verehrter Freund, der Graf von Saletto, von mir?«
    Der Besucher schluckte nervös. »Ich komme nicht im Auftrag des Comte Corrabialli, Euer Eminenz, sondern aus eigenem Antrieb. Ich habe eine wichtige Information für Euch …« Er brach nervös ab und blickte della Rocca beinahe flehend an.
    Der Bischof hob die Augenbrauen. »Ich hoffe, du stiehlst mir nicht meine Zeit. Ich bin sehr beschäftigt.«
    Der Besucher spürte die Drohung, die in diesen Worten mitschwang, und wurde noch unsicherer. »Ich wollte Euch schon im letzten Sommer aufsuchen, als ich jene abscheuliche Entde-ckung gemacht habe. Doch mein Herr kehrte überraschend in seine Grafschaft zurück, und ich musste ihn begleiten. Später zog der Comte es vor, nach Urbino zu reisen, anstatt nach Rom zurückzukehren.«
    »Du bist sicher nicht gekommen, um mir von den Reisen deines Herrn zu berichten«, unterbrach ihn della Rocca, dessen freundliche Miene sich von einem Augenblick zum anderen verdüstert hatte. »Nein, gewiss nicht, Euer Eminenz«, beeilte sich der Besucher zu versichern. »Ich wollte damit nur erklären, warum ich erst jetzt zu Euch kommen konnte, obwohl ich ein schlimmes Vergehen gegen die Gesetze der Heiligen Kirche zu melden habe.«
    Er atmete kurz und heftig durch. »Ihr erinnert Euch gewiss an das Fest des heiligen Ippolito vor mehreren Jahren, zu dem Ihr eine eigens von Palestrina dafür geschriebene Messe aufführen ließet.«
    Della Roccas Miene wurde noch finsterer. Es gab Gerüchte um diese Uraufführung, an die er ungern erinnert werden wollte.
    Der Besucher spürte, dass der Bischof kurz davor war, ihn durch seine Diener hinauswerfen zu lassen, und sank auf die Knie. »Ich bin Ludovico Moloni. Ich hätte damals die Solostimme singen sollen, aber der Chorleiter Pater Lorenzo sperrte mich ein und ließ an meiner Stelle Giulia Fassi auftreten, die Tochter des gräflichen Kapellmeisters.«
    Della Roccas Laune wurde noch schlechter. »Ein übles Gerücht, von dem es heißt, du hättest es aus Eifersucht und Neid in die Welt gesetzt.«
    Ludovico war sich im Klaren darüber, dass er kurz davor war, sich um Kopf und Kragen zu reden. Für einen Augenblick erwog er, die Sache auf sich beruhen zu lassen, denn was er zu sagen hatte, klang im Angesicht des Bischofs geradezu vermessen. Sein Hass und das Gefühl der Demütigung, das auch nach Jahren noch in ihm schwelte, waren jedoch zu groß. »Ich habe Giulia Fassi wiedergesehen. Sie hat sich als Mann verkleidet und nennt sich Giulio Casamonte. Sie ist der berühmte Kastratensänger! Ich schwöre es!« Er schrie es heraus.
    Der Bischof begann zu lachen und ließ seine Hand vor der Stirn kreisen. »Mann, du bist wohl pazzo geworden. Ich glaube, ich sollte dich in ein Narrenhaus stecken lassen.«
    Ludovico hatte genug über della Rocca gehört, um zu wissen, dass er Drohungen schnell wahr machte. »Nein! Nein, hoher Herr, es ist die reine Wahrheit. Ihr müsst mir glauben. Na-türlich hat die Hexe sich in den Jahren verändert. Aber ich habe sie sofort erkannt. Schließlich stamme ich aus demselben Dorf und habe sie früher fast täglich gesehen und auch singen gehört.«
    Della Rocca schüttelte ungläubig den Kopf. »Casamonte eine Frau? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Kein Weib besitzt eine solch göttliche Stimme.«
    Ludovico spürte jedoch die Unsicherheit in der Stimme des Bischofs und fasste Mut. »Diese Hexe schon. Der Teufel muss sie ihr geschenkt und dafür gesorgt haben, dass man sie mir vorzog. Erinnert Euch daran, dass man mich die beste Stimme nannte, die je in San Ippolito di Saletto ausgebildet worden war.«
    Der Bischof lachte spöttisch auf. »Bescheidenheit ist wohl nicht deine Zier, Mann.«
    »Es ist die reine Wahrheit«, brauste Ludovico auf. All die Jahre hatte er sich an den Glauben geklammert, ungerecht behandelt worden zu sein, und wollte sich auch von einem Bischof nicht eines anderen belehren lassen.
    »Ach nein? Du bist doch der Bursche, der damals in einer unchristlichen Situation mit einem anderen Chorknaben aufgefunden wurde.« Della Rocca hatte seine gute Laune wiedergefunden. Er betrachtete Ludovico wie ein Gelehrter einen besonders hässlichen Wurm, verzog aber die Lippen zu einem gönnerhaften Lächeln. »Wie es scheint, hat mein Freund Corrabialli dir diese Sünde nicht verargt, sonst ständest du nicht in seinen Diensten.«
    Ludovicos Gesicht verzerrte sich vor Wut. »Ich bin nur ein

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