Die Kastratin
Schwiegertochter. Sie soll in zwei Monaten gebären. Leider hat sie in den letzten Jahren bereits mehrere Kinder wenige Wochen vor der Niederkunft verloren und ist auch bald über das fruchtbare Alter hinaus. Bitte helft ihr und mir. Es geht um das Weiterbestehen meines Hauses.«
Giulia starrte ihn mit großen Augen an. »Wie kann ich Euch denn dabei helfen? Ich bin doch kein Arzt.«
»Eure Stimme hat meine Schwester von den schwarzen Abgründen ihrer Melancholie zurückgerissen und ihr die letzten Jahre ihres Lebens angenehm gemacht. So werdet Ihr auch Norina aufheitern und ihr die Angst nehmen können, auch dieses Kind zu verlieren. Eure Stimme wird ihr die Kraft geben, es gesund zur Welt zu bringen, daran glaube ich fest.«
Giulia wurde klar, dass Comte Biancavallo nicht nachgeben würde. Da ihm der Probst von San Lassaro bereits seine Zustimmung erteilt hatte, blieb ihr nichts anderes übrig, als auf seine Bitte einzugehen. »Ihr bürdet mir eine Verantwortung auf, die ich kaum tragen kann.«
Der Graf fasste ihre Hand, was sonst in Italien selten ein Mann getan hatte. »Gott wird uns beistehen.«
»Betet lieber zur Heiligen Jungfrau. Sie ist für solche Sachen zuständig«, warf Assumpta bissig ein. Ihr gefiel diese Entwicklung ebenso wenig wie Giulia.
Comte Biancavallo nickte der alten Dienerin zu. »Da hast du Recht, gute Frau. Bitte schließe meine Schwiegertochter und meinen ungeborenen Enkel in deine Gebete zur Muttergottes ein, damit die Hohe Frau sich ihrer erbarmt. Ich werde an diesem Abend noch in mein Stammschloss zurückkehren und Euch, Messer Casamonte, eine bequeme Kutsche schicken, die Euch und Eure Dienerin zu mir bringen soll. Sie wird gegen acht Uhr hier vor der Tür stehen.«
Mit diesen Worten verabschiedete er sich freundlich und stapfte sichtlich erleichtert aus dem Haus.
Giulia sah ihm durch das Fenster nach und fluchte leise vor sich hin. »Das hat mir gerade noch gefehlt. Wenn wir jetzt mehrere Wochen auf einer abgelegenen Burg bleiben müssen, findet uns Vincenzo nie.«
Assumpta wackelte greisenhaft mit dem Kopf. »Vielleicht fragt Vincenzo hier nach uns. Er weiß doch, wo wir übernachten wollten. Wir sagen also dem Wirt Bescheid, damit er ihn zum Schloss des Grafen schickt.« Statt einer Antwort erhielt sie von Giulia einen Kuss.
III .
E in junger Mann schlenderte unschlüssig vor dem Palazzo Nespola in Rom hin und her und starrte dabei immer wieder auf das bronzebeschlagene Portal. Er war untersetzt und kräftig gebaut und hatte ein derbes Gesicht mit ausgeprägten Kiefern und eng zusammen stehenden Augen. Seine Kleidung wies ihn als Bediensteten eines Herrn von Stand aus. Doch heute war er nicht im Auftrag seines Patrons, sondern in eigenem Interesse unterwegs und schien sich seiner Sache zunächst alles andere als sicher zu sein. Nach einer Weile hieb er ärgerlich mit der Faust durch die Luft und fluchte leise vor sich hin. Dann schritt er schnurstracks auf das Portal zu und schlug den von einem Bärenmaul gehaltenen Klopfer an.§§§§§
Kurz darauf öffnete sich das Tor, und ein Diener schaute heraus. Als er einen Standeskollegen entdeckte, verlor sich der devote Ausdruck seines Gesichts. »Was willst du?«
»Ich muss mit Seiner Eminenz reden«, presste der Besucher hervor. »Es ist sehr wichtig.«
»Ich glaube nicht, dass Seine Eminenz heute für deinesgleichen zu sprechen ist«, beschied ihn der Pförtner und wollte das Tor wieder schließen.
Der junge Mann stellte kurz entschlossen den rechten Fuß auf die Schwelle. »Ich komme vom Grafen Corrabialli.«
Der Pförtner wusste, dass Gisiberto Corrabialli ein guter Bekannter seines Herrn war, und trat beiseite. »Warum hast du das nicht gleich gesagt, Dummkopf? Ich werde dich Seiner Eminenz melden.«
Er ließ ihn im Vorraum zurück und blieb so lange fort, dass der junge Mann unruhig wurde.
Als der Pförtner wieder erschien, war er um eine Spur freundlicher. »Seine Eminenz ist bereit, dich zu empfangen.«
Der junge Mann nickte erleichtert und folgte ihm über eine breite, schön geschwungene Treppe nach oben. Kurz darauf standen sie vor einer mit aufwändigen Schnitzereien verzierten Tür, die nach kurzem Klopfen geöffnet wurde und den Blick in ein großes, prachtvoll ausgestattetes Gemach freigab. Der Besucher hatte jedoch keinen Blick für die in sanften Blautönen gehaltenen Wände, die Bilder der großen Heiligen und die reich verzierten Möbel, sondern starrte Bischof della Rocca verunsichert an, der ihn
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