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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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musste er sich beeilen, wenn er unbemerkt ins Freie schlüpfen wollte.
    »Also dann, bis heute Abend in der Via Coletta«, rief er Giulia und deren Vater zu und schloss sich einer größeren Gruppe von Männern an, die durch das Portal hinausschlenderte und sich dabei über den jungen Kastraten unterhielt. Casamonte wurde in höchsten Tönen gelobt, so dass Paolo das Gefühl hatte, sehr klug gehandelt zu haben. Ganz gleich, welche Gerüchte seine Familie bereits erreicht haben mochten, – einem Sänger mit dieser begnadeten Stimme würde auch Tante Coelias Zorn nicht lange standhalten.
    Als Paolo sicher war, seine Verfolger endgültig abgehängt zu haben, begab er sich auf geradem Weg nach Hause. Zu seiner Erleichterung waren bei seiner Rückkehr weder seine Mutter noch deren Schwester anwesend. Da jedoch die Mittagszeit kurz bevorstand, lief er auf sein Zimmer, um sich zum Essen umzuziehen.
    Die Enttäuschung über das missglückte Rendezvous und die Wut über den Goldschmied nagten immer noch an ihm, dennoch brachte er es fertig, bei seinem Eintritt in den Speisesaal gute Laune zu versprühen. Er begrüßte seine Mutter mit einem Kuss und verneigte sich tief vor seinem Vater. Batista Gonzaga seufzte gequält auf und musterte seinen Sprössling mit unverkennbarer Missbilligung. Dies und der strafende Blick seiner Mutter verrieten Paolo, dass die Gerüchteküche bereits heftig brodelte.
    Sein Vater klopfte auch sofort auf den Busch. »Wie ich hörte, hast du das Haus heute schon sehr früh verlassen.«
    Paolo lächelte ihm zu und begrüßte seine Tante, die gerade den Raum betrat. »Das ist richtig. Ich habe die Morgenmesse in der Kirche … äh … Ach ja, Santa Maria Maddalena hieß sie! Ja, da habe ich die Messe besucht.«
    Sein Vater starrte ihn ungläubig an. »Du willst doch nicht etwa behaupten, du wärst heute extra wegen der Morgenmesse eher aufgestanden. Santa Maria Maddalena, was ist das eigentlich für eine Kirche? Von der habe ich noch nie gehört.«
    »Keine aus einem besseren Viertel«, klärte ihn Paolo zuvorkommend auf. »Ich bin auch nur deswegen hingegangen, weil ich hörte, dass dort ein neuer Kastrat mit einer göttlichen Stimme die Messe singen sollte. Ihr werdet mir hoffentlich verzeihen, doch ich habe ihn für heute Abend eingeladen. Tante Coelia, ich wollte dir damit eine Freude machen, aber auch gerne wissen, was du zu dieser Stimme sagst.«
    Seine Mutter seufzte tief auf. »Wenn wir dir nur Glauben schenken könnten, mein Sohn.« Dann sah sie auf und fixierte Paolo mit einem strengen Blick. »Wir haben etwas ganz anderes gehört. Man trug uns zu, dass du dem Eheweib eines braven Bürgers in schamloser Weise den Hof gemacht hast. Es hieß, du hättest in dieser Nacht sogar versucht, sie zu entführen.«
    Paolo warf in gespielter Entrüstung die Arme hoch. »Gewiss nicht in der Kirche Santa Maria Maddalena, Mutter. Ich kann dir nur sagen, dass kein wahres Wort an diesem Gerücht dran ist. Offensichtlich bin ich das Opfer einer verabscheuungswürdigen Verleumdung geworden und kann nur hoffen, dass der Auftritt des jungen Kastraten mit seiner wunderschönen Stimme Euch von meiner Aufrichtigkeit überzeugen kann.«
    Batista Gonzaga sah alles andere als überzeugt aus. Er musterte Paolo streng und verzog das Gesicht. »So viel Begeisterung für einen Kastraten? Das ist ja ein ganz neuer Zug an dir, mein Sohn. Sollte sich dein Geschmack in letzter Zeit so stark gewandelt haben?«
    Giudetta Gonzaga klopfte mit ihrem Fächer energisch auf den Tisch. »Ich bitte dich, solche geschmacklosen Bemerkungen zu unterlassen, Batista. Unser Sohn mag vielleicht kein Idealbild der Tugend sein. Er wird sich jedoch sicher nicht zu solch einer unaussprechlichen Verirrung hinreißen lassen und um die Gunst eines Verschnittenen buhlen. Wir wollen ihm zugestehen, dass er heute wirklich nur ausgegangen ist, um uns eine Freude zu machen. Natürlich werden wir den Kastratensänger empfangen, nicht wahr, Coelia?«
    Paolo lächelte seine Tante erwartungsvoll an, wohl wissend, dass am Ende ihr Urteil entscheidend sein würde. Ihre kühle Miene verriet ihm, dass sie noch lange nicht besänftigt war. Sie murmelte jedoch nur etwas Unverständliches, stimmte schließlich ihrer Schwester mit einem knappen Nicken zu und lenkte das Gespräch auf ein anderes Thema.
    Paolo war erleichtert. Er hatte schon befürchtet, sich bis zum Abend Vorwürfe anhören zu müssen. Doch wie es schien, war es ihm gelungen, zumindest seine

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