Die Kastratin
aufzuhören und ihm beim Ankleiden zu helfen.
Leticia Pollai presste sich nackt, wie sie war, an ihn. »Du kommst doch bald wieder, ja?«
Paolo Gonzaga versprach ihr alles, was sie hören wollte, denn er wusste, dass eine Frau, die sich verlassen glaubte, jede Vorsicht außer Acht ließ. Wenn sie jetzt zu schreien und zu toben anfing, waren die Diener ihres Mannes schneller da, als er laufen konnte. Er küsste sie daher zärtlich, streichelte ihr sanft über ihren Rücken und half ihr, sich anzuziehen.
Als er sowohl mit ihrem als auch mit seinem Aussehen zufrieden war, küsste er sie noch einmal und wies dann auf das Klingelband neben dem Bett. »Ruft jetzt Eure Zofe und sagt ihr, dass Casamontes Vorstellung für heute zu Ende ist.«
Leticia gehorchte ihm, doch sie schritt wie eine Traumwandlerin durchs Zimmer.
Wäre Paolo Gonzaga nur ein Diener oder ein einfacher Handwerker gewesen, hätte diese Frau, das fühlte Giulia instinktiv, ihn keines zweiten Blickes gewürdigt. Leticia Pollai benahm sich wie eine rossige Stute, die von einem möglichst hochrangigen Hengst beschält werden wollte. Treue und Glauben, wie sie nach den Lehren der Heiligen Kirche zwischen Eheleuten herrschen sollten, besaßen für sie keine Bedeutung. Giulia schüttelte sich innerlich über diese Verworfenheit und war froh, als die Zofe und ein Diener mit einer Laterne erschienen.
Nach einem kurzen, von heimlichen Ängsten beherrschten Abschied atmeten sowohl Giulia wie auch Paolo Gonzaga auf, als das Tor des Anwesens hinter ihnen geschlossen wurde. Die Sänftenträger warteten bereits auf sie, um sie in die Stadt zurückzubringen. Zu Giulias Erleichterung war Paolo Gonzaga zu erschöpft, um ein Gespräch beginnen zu können. Er reichte der Wache am Tor ein paar Münzen als Tribut für ihre nächtliche Rückkehr und ließ schließlich vor dem Goldenen Lamm halten. Bevor Giulia jedoch aus der Sänfte schlüpfen konnte, hielt er sie mit einem scharfen Wort auf und reichte ihr einen Beutel. »Nimm das als Dank dafür, dass du mir nicht nur zu meiner Rache, sondern auch zu einem mehr als befriedigenden Abend verholfen hast.«
Giulia starrte auf die Börse, als hätte er ihr einen giftigen Skorpion auf die Hand gelegt. Noch ehe sie etwas erwidern konnte, forderte Paolo Gonzaga sie auf zu gehen. »Es war ein anstrengender Abend, und ich will ins Bett. Bedanken kannst du dich später.«
Giulia gehorchte verwirrt und starrte der sich entfernenden Sänfte nach, bis die Schritte der Träger verklungen waren. Dann ging sie mit hängenden Schultern auf das Goldene Lamm zu und klopfte an die Pforte. Bis auf einen Stallknecht, der ihr öffnete, schien das ganze Haus schon in tiefem Schlaf zu liegen, so dass niemand sie aufhielt oder ihr Fragen stellte. Aufatmend schloss sie die Zimmertür hinter sich ab, kleidete sich hastig aus und warf sich aufs Bett. Der heiß ersehnte Schlaf stellte sich jedoch erst im Morgengrauen ein.
Giulia wachte erst spät am Vormittag auf, als der Lärm auf der Straße anschwoll, und hatte Mühe, sich aus den Krakenarmen wirrer Träume zu lösen. Als sie aufstand, fiel ihr Blick als Erstes auf den Beutel, den ihr Paolo Gonzaga gegeben hatte. Das Geld erschien ihr wie ein Judaslohn. Sie hatte es für ihre Beihilfe zu einer Todsünde erhalten. Giulia überlegte, ob sie in die Kirche gehen und das Ganze beichten sollte. Ihr graute jedoch davor, denn wenn sie sich selbst auch schuldlos fühlte, musste jeder Priester sie als Gesellin der Verworfenheit und Helferin des Teufels ansehen. Sie beschloss daher, still für sich zu beten und die Jungfrau Maria um Verzeihung anzuflehen.
Mit diesem Vorsatz begab sie sich in das Frühstückszimmer. Ihr Vater saß bereits auf einem gepolsterten Stuhl und trank Wein. Als er sie sah, sprang er auf, umarmte sie und zeigte ihr etliche Golddukaten, die auf dem Tisch lagen. »Dies ist der Dank Messer Pollais dafür, dass du seine Frau wie durch ein Wunder mit deinem Gesang von ihrer Schwermut geheilt hast. Er hat doppelt so viel gegeben wie vereinbart und zudem versprochen, uns bei seinen Freunden einzuführen.«
»Der arme, betrogene Mann«, flüsterte Giulia unter Tränen. Dann dachte sie an ihren Entschluss, die Jungfrau Maria um Verzeihung zu bitten, und nahm das Geld vom Tisch. Sie wollte es zusammen mit der Summe, die ihr Paolo Gonzaga gegeben hatte, in der Kirche Santa Maria Maddalena in den Opferstock legen. »Was soll das?«, fragte ihr Vater verwirrt.
Giulia wusste nicht so recht,
Weitere Kostenlose Bücher