Die Katakomben von Acron
ausladenden Körpers.
Eine blutige, verkrustete Wunde zeichnete den linken Unterarm der Traumtänzerin. Wie ein offenes Geschwür, das über lange Zeit hinweg nicht heilt.
Es war ein Zufall gewesen, der den Ärmel hatte zurückrutschen lassen. Jetzt fiel er wieder bis zur Handwurzel. Aber Burra wußte genug.
Ihre erste Regung war, zu den Schwertern zu greifen. Nur mit Mühe unterdrückte sie dieses Verlangen.
Hatte Yacub bemerkt, daß sie sein Spiel durchschaute? Aus den Augen der Traumtänzerin blickte er sie unverwandt an.
Das also war es, weshalb die Bestie stets unerkannt entkommen konnte: Der Vierarmige konnte die Gestalt seiner Opfer annehmen.
Schlagartig begriff Burra, weshalb der Lemuran der Stillen Osilje Yacub angriff. Das Tier hatte seine Witterung aufgenommen und nicht, wie sie ursprünglich vermutete, die des Beuteldrachen. Gerrek war also wirklich harmlos. Wenn man davon absah, daß er ein wenig wirr im Kopf sein mußte.
Und Honga… Der Tau stand demnach nicht im Bündnis mit dem Bösen. Aber warum hätte sich Burras Einstellung dem Heroen gegenüber ändern sollen? Sie wollte ihn noch immer haben.
Und sie würde ihn bekommen, das wußte die Amazone. Sie hatte bisher alles erreicht, was sie sich vornahm.
»Warum antwortest du nicht?« fragte die Traumtänzerin ungehalten.
Burra tat, als schrecke sie aus ihren Gedanken auf.
»Ich«, murmelte sie, »habe nur nachgedacht. Wir müssen einen Weg finden, die Bestie schnell unschädlich zu machen.«
»Wie sieht das Geschöpf aus? Ich weiß, du willst nur mit Gaidel darüber sprechen. Aber wenn die Gefahr wirklich so groß ist, wie du behauptest…« Die Vermummte zeigte sich überaus interessiert.
Burra nickte zögernd.
»Mag sein, daß es besser ist, wenn mehrere davon wissen.« Mit wenigen Worten gab sie eine Beschreibung des Beuteldrachen. Während sie sprach, lockerte sich die angespannte Haltung der Traumtänzerin. Burra hoffte, nochmals einen Blick auf die Armwunde zu erhaschen, aber Yacub schien vorsichtig geworden zu sein. Hatte er gar bemerkt, wie leicht er sich verraten konnte?
»Ich bringe dich zur Hexe Gaidel«, sagte die Bestie aus dem Mund einer schönen Frau. »Folge mir.«
Doch die Richtung, die Yacub einschlug, würde nie zur inneren Kammer führen. Burra erkannte das schon nach den ersten Abzweigungen.
Wenn Yacub sich ihrer entledigen wollte, hätte er dies überall tun können.
Aber vielleicht lag ihm viel daran, in ihrer Gestalt aufzutreten. Dann mußte er auch sicher sein können, daß niemand je den Körper der richtigen Burra fand.
Und wo würde es ihm leichterfallen, ihre sterbliche Hülle für immer verschwinden zu lassen, als in den Randgebieten des Labyrinths oder gar innerhalb der Ruinen?
Schlagartig wurde Burra klar, worauf sie sich wirklich eingelassen hatte.
*
Ein Geräusch schreckte Mythor auf.
Noch benommen von dem unruhigen Halbschlaf, in den er versunken war, kam er hoch.
Flackernder Lichtschein fiel in sein Verlies. Undeutlich erkannte er, daß ein Teil der Felsendecke verschwunden war. Auf einem schmalen Mauervorsprung standen drei Traumtänzerinnen. Sie warfen ihm ein dickes Seil zu.
»Komm!« rief eine von ihnen in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
Als Mythor zögerte, wurde sie ungehalten.
»Wenn du willst, daß deine Gebeine in diesem Loch vermodern…«
Er griff nach dem Ende des Seiles und zog sich daran hoch. Wenige Augenblicke später stand er zwischen den Traumtänzerinnen. Mythor erkannte den Gang wieder, durch den er gekommen war. Vor seinen Augen begann der Boden zu verschwimmen, und als er endlich klar sehen konnte, gab es keinen Hinweis mehr darauf, daß unmittelbar vor ihm ein mehrere Schritte tiefer Abgrund gähnte.
»Weshalb trägst du das Gewand mit dem Hexon?« fragte die Vermummte, die schon vorhin zu ihm gesprochen hatte. Mythor bekam allerdings keine Gelegenheit zu antworten, denn sie fuhr umgehend fort: »Du bist ein Mann, sonst hätte die Falle sich nicht geöffnet.«
Mit beiden Händen lüftete sie ihre Kapuze, und die anderen taten es ihr nach. Mythor verspürte plötzlich ein seltsames Prickeln. Er wollte sich wehren gegen das, was unweigerlich kommen mußte, konnte es aber nicht. In Gedanken sah er wieder Gerrek vor sich, wie dieser scheinbar seelenlos durch hohes Gras stapfte und nichts von dem wahrnahm, was um ihn herum geschah.
Drohte ihm nun dasselbe Schicksal?
» Warum weigerst du dich, endlich zu mir zu kommen? Ich warte auf dich, Mythor, Sohn
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