Die Katastrophen-Welt
allmählich unangenehm, aber ich bemühte mich, nicht darauf zu achten.
In fünfundvierzig Meter Tiefe mußte ich mir eine längere Rast gönnen. Gegen den Druck der See zu atmen, war äußerst anstrengend. Aber auch hier war noch absolut nichts zu sehen. Dafür schossen mir um so unangenehmere Gedanken durch den Kopf – was wäre, wenn Haie auftauchten? Oder die Luftversorgung versagte? Oder mir übel wurde?
Ich war wütend auf mich und riß mich zusammen. Die Leuchtnadel an meinem linken Handgelenk hatte bereits die Fünfzigmeteranzeige überschritten. So tief war ich noch nie in meinem Leben getaucht. Das Wasser schien mir nun wärmer, aber vielleicht hatte ich auch nur kein Gefühl mehr in den Händen. Ich starrte in die Tiefe. Fünfunddreißig Faden, hatte Carmody gesagt. Eigentlich müßte ich in einiger Zeit den Grund berühren. Ich strampelte mit den Füßen und tauchte noch ein paar Meter tiefer. Irgendein Pflanzenzeug wogte unter mir. Nun konnte ich es sogar sehen, es leuchtete ein wenig. Es war ein bezaubernder Anblick. Ewig könnte ich hierbleiben und die sanften Bewegungen beobachten. Ich fühlte mich so leicht und beschwingt, und das Wasser war wie eine warme weiche Decke.
Aber war da nicht etwas, das ich eigentlich tun sollte? Ich konnte mich nicht mehr so recht erinnern. Irgend etwas rieb gegen mein Knie, störte meine Beschaulichkeit. Ich tastete danach, spürte einen kleinen Hebel. Ich drückte darauf und empfand eine Erleichterung, als hätte ich eine ungemein ermüdende Arbeit hinter mich gebracht. Nun konnte ich mich wieder dem Tanz der graziösen Pflanzen widmen, und dem Singen um mich, und den herrlichen Farben vor meinen Augen ...
Plötzlich spürte ich den Schmerz in meiner Kehle, ein Gefühl, als stießen glühende Nadeln in mich. Mein Kopf zuckte zurück. Ich holte tief Atem, um zu brüllen, erstickte jedoch fast. Ich schlug mit den Beinen um mich und bemerkte, daß ich mit dem Kopf nach unten hing. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, daß ich etwa fünfzehn Minuten bewußtlos gewesen war.
Mein Herz klopfte wie verrückt. Ringsum war nur Dunkelheit, keine strahlenden Farben mehr, ja selbst die Pflanzen waren verschwunden, und von dem betörenden Singen war natürlich auch nichts zu hören. Ich hatte noch einmal Glück gehabt, aber wie leicht hätte es schiefgehen können! Die ganze Sache war Irrsinn. Es gab hier nichts zu entdecken. Es war Zeit, zum Boot zurückzukehren und mir ein paar steife Drinks zu genehmigen. Carmody war ein guter Kerl. Ich könnte sein Angebot annehmen und diese hoffnungslose Suche aufgeben. Wir würden uns in die Südsee zurückziehen, dort war das Leben angenehmer.
Ich griff nach dem Antriebsknopf – und starrte auf ein sanftes grünes Leuchten, das durch die Düsternis drang.
Mein Tiefenmesser zeigte jetzt sechzig Meter an. Ich paddelte mit den Beinen auf das Glühen zu, aber die Strömung trug mich daran vorbei. Das Wasser war hier viel klarer. Ich benutzte die Düsen, um mich zu der Lichtquelle zurückzukämpfen.
Das Leuchten kam aus einer runden Öffnung, wie von einem großen Abwasserrohr. Ungefähr drei Meter im Innern stand eine Verschlußplatte halb offen. Da heraus drang das Licht. Ich schwamm in die Öffnung. Hinter der Platte, die den Weiterweg halb blockierte, verlor der beleuchtete Tunnel sich in der Ferne. Es war gerade genug Platz, mich an der Platte vorbeizuzwängen.
Eine leichte Strömung warf mich an die Barriere zurück. Ich benutzte ein wenig mehr Saft und schoß vorwärts. Ich spürte ein schweres Pochen im Wasser. Der Tunnel machte eine Kurve nach links und führte schräg abwärts. Ich dachte an Carmody, der vermutlich ungeduldig auf ein Lebenszeichen von mir wartete. Immerhin waren schon fünfunddreißig Minuten verstrichen, seit ich ihn verlassen hatte.
Die Strömung erschien mir jetzt noch stärker. Ich stellte die Düsen auf Maximum und kam nun mühsam gegen die Kraft an, die mich einmal links, dann rechts gegen die Wand drückte. Voraus wurde das Licht heller. Ich sah vertikale Streifen, die sich gegen ein grelles Strahlen abhoben.
Die Streifen stellten sich als zweiteiliges Gitter heraus, das halb offen stand. Gegen den Druck des Wassers versuchte ich, es weiter auseinanderzubekommen, aber es war unmöglich. Ich konnte nur eines tun: mich hindurchzwängen. Fast wäre ich steckengeblieben, aber mit viel Mühe schaffte ich es schließlich doch. Unter meinen Füßen begannen sich die schweren Gitter plötzlich zu bewegen und
Weitere Kostenlose Bücher