Die Katastrophen-Welt
eine Auswahl davon zu bieten.«
»Wir haben dein Boot durchsucht. Da sie nicht an Bord ist, mußt du sie weggebracht haben. Es spart uns Zeit und Mühe, wenn du uns gleich sagst wohin.«
»Warum nicht? Weshalb sollte ich mich dieses Mädchens wegen in Schwierigkeiten bringen? Ich machte einen schnellen Trip nach Athen und warf sie über Bord.«
»Du lügst.«
»Wenn du es besser weißt!«
»Warum hast du sie hinausgeworfen?«
»Sie wollte nicht so, wie ich wollte.«
»Was wollte sie nicht?«
»Muß ich das wirklich so genau erklären?«
»Zu diesem Zweck hast du die Frau entführt?«
»Weshalb sonst?«
Dörrpflaume konferierte mit den beiden anderen Stimmen. Die Sprache klang wie Chinesisch in meinen Ohren. Vielleicht war es das auch.
»Ich werde es aus ihm herausbekommen«, meldete sich eine neue Stimme auf Englisch.
»Nein, nicht aus ihm. Er ist nicht der Typ. Er wird eher sterben. Wir haben keine Zeit für Experimente.«
Jemand sagte etwas in einer anderen Sprache, aber Dörrpflaume unterbrach ihn. »Nein, die Entscheidung ist gefallen. Bringt ihn auf den Hof und schlitzt ihm die Kehle auf.«
11.
Der Schlaf der Erschöpfung ist etwas Wundervolles. Sie mußten mich fünf Minuten später, oder vielleicht war es sogar noch später, aufwecken, um mich hinauszuschleifen. Sobald sie mich losließen, klappte ich zusammen. Sie zerrten mich wieder hoch. Offenbar schnitt man einem die Kehle nur durch, wenn er stand. Ich fragte mich, ob das Messer scharf sein und ob es sehr weh tun würde. Aber so richtig interessierte es mich eigentlich gar nicht.
Die angenehme Gleichgültigkeit ließ plötzlich nach, und mir wurde entsetzlich übel. Ich mußte mich übergeben. Dann zerrten die Hände wieder an mir, und es ging weiter. Ich mußte wohl im Gehen geschlafen haben, denn ich erwachte auf dem Hintersitz eines Wagens zwischen zwei fetten Männern, die nach Schweiß und Curry stanken. Eine Stimme, die ich schon einmal gehört hatte, sagte: »... ist die Anweisung des Primären.«
»Aber der Kerl da ist unwichtig. Der Platz ...«
»Es ist mein Befehl!«
Dann hüllte mich erneut wirbelnder Nebel ein, und ich versank darin.
Verschwommen bekam ich Hände mit, die schon wieder an mir zerrten. Ich roch Salzwasser und Fäulnis, spürte schwankendes Deck unter mir, und das Dröhnen von Maschinen. Stimmen redeten rund um mich, manchmal auf englisch, aber auch auf Deutsch, französisch und russisch, und hin und wieder in Dialekten, die ich nie gehört hatte, und vermischten sich zu einem seltsamen Traum von Verfolgung und Rache. Und dann war ich an einem kühlen, schwachbeleuchteten Ort. Hände hoben mich. Ich lag auf dem Rücken. Weitere Hände betasteten mich. Ich spürte den Stich einer Nadel im Arm und schlief weiter.
Jemand stieß mich am Fuß. Mühsam hob ich die Lider. Ein bleicher Mann in sterilem Weiß stand über mich gebeugt. Er hatte weiche Züge, randlose Brillengläser und hellbraune Haarbüschel über den Ohren.
»Deine Mahlzeit ist hier«, sagte er brüsk. »Du wirst sie essen.«
Ein Duft des gebratenen Fleisches und der Gemüse auf einem Tablett auf dem Tischchen neben meinem Bett stieg mir in die Nase. Dahinter waren die Weißen Wände eines kleinen Zimmers, eine braune Kommode mit einem quadratischen Spiegel, die Ecke einer schmalen Tür und eine weitere halboffene Tür, die zu einem WC führte. Mir war schwindlig, das Bett wogte unter mir.
»Wo bin ich? In einem Krankenhaus?«
»Setz dich auf«, befahl der Mann in Weiß. Er schob Kissen in meinen Rücken, dann stellte er das vierfüßige Tablett über meinen Schoß. Ich aß, als hätte ich seit Tagen nichts mehr bekommen, was vermutlich auch der Fall war. Dann schlief ich wieder ein. Zur nächsten Mahlzeit weckte man mich erneut, und wieder schlief ich ein. So ging es mehrere Male, bis Dörrpflaume mich besuchte.
»Wirst du mir jetzt sagen, wo die Frau ist?« fragte er kalt.
»Welche Frau?«
»Die Frau, die du entführt hast. Du weißt genau, wen ich meine.«
»Dir fällt offenbar überhaupt nichts anderes ein«, brummte ich. »Ich dachte, du wolltest mir die Kehle aufschlitzen lassen. Was ist geschehen? Hast du die Nerven verloren?«
»Meine Anweisungen wurden von einem Höheren überstimmt. Du sollst einer Sonderinquisition ausgesetzt werden. Du würdest dir viel Unannehmlichkeiten ersparen, wenn du jetzt sprichst.«
»Jag' mir keine Angst ein, ich bin ein kranker Mann.«
»Du hast dich von deiner Gehirnerschütterung bereits
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