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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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der Zeiten Umstände eine so
bewundernswürdige Frau als Gegnerin betrachten zu müssen. Er bat Theobald, der
edlen Königin seine Antwort zu übermitteln, die zu schreiben er jeden Tag aufs
Neue versprach und dann doch nicht tat.
    »Ich kann mich nicht auf Verhandlungen einlassen«, bemerkte er nach
einigen Wochen bedauernd zu Theobald, der zwischen
dem Gesagten glaubte, das Wörtchen noch mitschwingen zu hören. Aus eigenem Antrieb
unterbreitete er dem alten Feind und neu gewonnenen Freund einen Vorschlag.
    »Solltest du dich bedenken, reise gen Norden, Raimund. Es wäre mir
eine große Ehre, dich als Gast in meinem Land begrüßen zu können. Gemeinsam
sollten wir dann überlegen, auf welche Weise diesem elenden Streit ein Ende
bereitet werden kann, ein versöhnliches Ende ohne Feuer und Schwert, bei dem
ein jeder sein Gesicht wahren kann.«
    Raimund schüttelte traurig den Kopf.
    »Es geht mir nicht um mein Gesicht«, antwortete er. »Das würde ich
angesichts der Zustände in meinem Land am liebsten verhüllen. Es geht mir um
meine Leute. Darum, dass jeder so leben und glauben kann, wie er es selbst
wünscht, solange er nicht den allgemeinen Frieden stört. Und vor allem geht es
mir um Unabhängigkeit von einem Frankreich, das diese Lebensform nicht zulassen
wird. Wir wissen beide, dass es langfristig nur eine Lösung für diesen Konflikt
geben kann, sollte nicht ein Wunder geschehen. Und dieser sogenannten Lösung
werde ich mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften widersetzen
müssen, solange es nur geht.« Den letzten Halbsatz schrie er fast heraus.
    Schweigend hingen beide Männer dem gleichen Gedanken nach.
Irgendwann würde Raimund der überwältigenden Macht von Krone und Kirche
nachgeben, die Häretiker im eigenen Land verfolgen und sein eigenes ererbtes
Land an Frankreichs Krone abgeben müssen. Das Ende der Eigenständigkeit der
Grafen von Toulouse war nur noch eine Frage der Zeit.
    »Du hast uns heute Abend wieder einmal große Freude mit deiner Musik
gemacht, lieber Freund«, wechselte Raimund das Thema. »Mir scheint, du bist der
letzte Troubadour, der unserer Zunge verblieben ist. Kaum jemand könnte sagen,
dass du nicht aus dem Languedoc stammst – abgesehen von ein paar winzigen
sprachlichen Eigenheiten des Nordens, die sicherlich nicht jedem so aufgefallen
sind wie mir, sprichst und singst du unsere Sprache nahezu perfekt. Du bist ein
großer Dichter. Die Nachwelt wird dir zweifellos Kränze winden.«
    »Danke«, erwiderte Theobald, ehrlich gerührt. »Ich habe mich bemüht,
meinen Sangesfreunden südlich der Loire gerecht zu werden, und hätte es
unpassend gefunden, hier als der Trouvère aufzutreten, der ich eigentlich bin.
Und doch …« Er seufzte tief, »… bin ich vielleicht jemand ganz anderes, als ich
bisher angenommen hatte. Ich fühle mich euren Troubadouren zutiefst verbunden.
Auch wenn ich, ehrlich gesagt, nie begreifen werde, was Sänger der Liebe mit
Häretikern verbindet, die doch jeglicher Körperlichkeit abgeschworen haben.
Warum nur sind sie ihretwegen verstummt?«
    »Dein Wald verlangt nach Nachtigallen«, zitierte Raimund Theobalds
Lied. »Warum wohl? Hast du dich das je gefragt? Oder hast du den Vers nur
gedichtet, weil er so schön klingt?«
    Theobald starrte nachdenklich vor sich hin. »Nicht, weil er so schön
klingt«, flüsterte er, »sondern weil er so richtig klingt. Auch, wenn ich dir
nicht sagen könnte, warum das so ist.«
    Lächelnd griff Raimund zur Drehleier, intonierte die Melodie des
Liedes, das Theobald in der Herberge zum Verhängnis geworden war, und sprach
leise dazu: »Dein Wald, jeder Wald, ist das Sinnbild der Freiheit. Und ein
ganz bestimmter Wald wird im Auftrag der heiligen römischen Kirche gerodet!
Freiheit verlangt nach Nachtigallen, nach freien Sängern, nicht nach solchen,
die im Käfig zum Takt der Krone zwitschern.«
    Er legte die Drehleier zur Seite, griff sich in das Wams und
überreichte Theobald ein zusammengerolltes Pergament.
    »Ich habe meiner erlauchten Cousine, Königin Blanka, geantwortet«,
sagte er. »Zu Verhandlungen bin ich keineswegs bereit, aber ich wünsche sehr,
fürderhin mit ihr im Gespräch zu bleiben, und hoffe auf eine baldige Antwort,
so ihr die Auseinandersetzungen mit den aufständischen Baronen Zeit dafür
lassen. Mein Gott, Theobald, die beklagenswerte Frau kämpft an mehr Fronten als
dereinst Caesar! Wie bedauerlich, dass uns das Schicksal zu Gegnern gemacht
hat und wir nicht unsere Kräfte bündeln

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