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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Dafür
musste sie sich von der Frucht der Sünde, also von dir, trennen. Als einfache
Credens hätte sie das nicht tun müssen, aber Ermine schien zu glauben, der
Rettung deines Lebens wegen schulde sie Gott ihr ganzes eigenes Leben. Daher
musste sie unbedingt Perfecta werden. Du siehst also«, setzte er seufzend
hinzu, »es liegt dir wohl irgendwie im Blute.«
    »Warum hat unser Vater nie davon gesprochen?«
    »Weil er es nicht wusste«, erwiderte Raimund. »Er sollte glauben,
sie wäre einfach davongelaufen, weil sie seiner und deiner überdrüssig geworden
wäre.«
    »Warum diese Verstellung?«, fragte Clara verwundert.
    »Damit er den Häretikern keine Schuld gebe und dich liebevoll
aufnehme«, erwiderte Raimund. »So hat es mir jedenfalls unsere Tante
Esclarmonda berichtet – auch eine Eurer Perfectas«, setzte er mit leichtem
Vorwurf in der Stimme hinzu.
    Sanft strich er seiner Schwester über die Wange. Wie seltsam, dass
sich gerade so viele von der Natur begünstigte junge Frauen dieser freudlosen
Religion anschließen, dachte er. Und wie bedauerlich.
    Wenn es im Blut der Frauen seines Geschlechts lag, sich diesem
Glauben zu verschreiben, so lag es in dem der Männer, sich in diese Frauen zu
verlieben.
    Wochenlang hatte Raimund vergeblich um die Liebe einer jungen
schönen Katharerin gebuhlt, die aus Frankreich in den Süden geflüchtet war. Sie
hatte nach dem Tod ihres Mannes um Arbeit in der Burg von Toulouse nachgesucht.
Ihre vorzüglichen Manieren, ihr edel geschnittenes Antlitz und ein nahezu
hoheitsvolles Auftreten hatten Raimund entzückt. Man hätte meinen können, sie
sei in einem Palast aufgewachsen. Dabei war sie, wie er erfuhr, nur die Frau
eines einfachen Pariser Steinmetzes gewesen.
    Sein Angebot, sie möge die Gewänder des weiblichen Hofstaats
betreuen, hatte sie angenommen, seine behutsamen Annäherungsversuche aber auf
das Entschiedenste abgelehnt. Sie habe der Sünde entsagt, beschied sie ihm mit
lieblicher Stimme. Nie wieder werde ein Mann sie die Seine nennen dürfen, nie
wieder werde sie sich höher schätzen als andere, sich über diese erheben, denn
dieses sei ihr beinahe zum Verhängnis geworden und hätte den Tod ihres Mannes
zur Folge gehabt.
    Auf Raimunds Nachfrage, wie das denn habe geschehen können, sagte
sie nur, Männer des Königs hätten »sie erkannt«, als sie nach langer Suche
endlich ihren Mann wiedergefunden hatte. Man habe ihn inquiriert, gefoltert und
schließlich dem Scheiterhaufen übergeben.
    »Und weshalb konntest du den Häschern entkommen?«, hatte Raimund
wissen wollen. Über ihre Antwort hatte er lange nachgerätselt: »Weil sie mich
für jemand anderen hielten.«
    Mehr war sie nicht bereit preiszugeben.
    Und dann war sie plötzlich verschwunden. Er hatte sie zum letzten
Mal an jenem Tag gesehen, an dem der Graf von Champagne mit Clara in Toulouse
eingeritten war.
    Möglicherweise hatte sie der Anblick der Ritter aus ihrem
heimatlichen Norden verschreckt. Raimund wusste sehr wohl, mit welcher Härte
die Katharer in Frankreich verfolgt wurden, und er warf sich vor, Lisette nicht
näher über die Umstände ihrer Flucht und die Bedrängnisse, denen sie ausgesetzt
gewesen war, befragt zu haben.
    Er musste sie unbedingt wiedersehen! Wenn er den Überfall auf
Humbert von Beaujeu überlebte, wollte er ihr ein Angebot machen, das sie nicht
würde ablehnen können. Sie war keine Perfecta; sie durfte heiraten. Die
Scheidung von Sancha war ohnehin nur noch eine Formsache.
    Clara könnte ihm zu seinem Glück verhelfen. Sie ging zu den
Versammlungen der Häretiker; sie würde diese Frau für ihn aufspüren können.
    »Geliebte Schwester«, sprach er, »morgen muss ich für eine Zeit
verreisen; magst du inzwischen eine Kleinigkeit für mich erledigen?«

  11  
Aussöhnung
    Vielleicht waren Blanka die Umstände entgegengekommen,
obgleich sich das Ganze zu einer Zeit abspielte, in der man sich mitten im
Kampf mit den Baronen befand und mit der baldigen Landung des Königs von
England zu rechnen war. In einen so leidvollen Kampf einzugreifen, in den vor
ihr alle oder fast alle Autoritäten des christlichen Abendlandes involviert
gewesen waren, ist jedenfalls überaus positiv zu werten: Dort, wohin ihr
Gemahl nur Waffen zu bringen gewusst hatte, mit bald schrecklichem Ergebnis wie
in Marmande, bald schmerzlichem wie in Avignon, brachte sie den Frieden.
    Régine Pernoud in ihrer Blanka-Biografie
»Herrscherin in bewegter Zeit«

November 1228
    M it jedem Tag drängten sich

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