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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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wert.
    Blanka hob den Arm, den er nicht festhielt.
    »Geht alle hinaus!«, brachte sie hervor. »Ich möchte mit dem Grafen
von Toulouse allein reden.«
    »Herrin …«, begann Theobald.
    Ihr eiskalter Blick ließ ihn erschauern. Als Einziger hatte er die
Lage sofort erfasst. Und sie wusste es. Augenblicklich wandelte sich seine
große Zuneigung zu Raimund in Hass. Was erdreistete sich dieser dahergelaufene
Versager aus dem ketzerischen Languedoc, jenen Eindruck auf die Königin zu
machen, an dem er, Theobald, schon seit Jahrzehnten unermüdlich arbeitete?
Für den er lebte? Da betritt dieser schöne schlanke Mann den Saal, schaut Blanka
nur an, und schon sinkt sie, die Unnahbare, dahin? Schmilzt, wie ein
Eiszapfen in der Sonnenglut des Südens? Schenkt ihm den Blick, der einst nur
König Ludwig vorbehalten war! Unerhört!
    Theobald hatte einen anderen Vertrag aufgesetzt als den, den Augen
und Körper dieser beiden gerade vor jedermann sichtbar geschlossen haben!
Welch eine Niederlage, welch ein Verrat! Von beiden!
    Er schäumte innerlich, ließ sich aber nichts anmerken und spielte
seinen einzigen Trumpf aus.
    »Ich muss bleiben, Herrin, da nur ich die Einzelheiten des Vertrags
kenne, dessentwegen wir uns hier versammelt haben, und um den wir jetzt
verhandeln müssen.«
    Und weil mir diese Burg gehört, grollte es in ihm. Und du, Blanka,
du mir ganz allein zu gehören hast! Wie kann es Graf Raimund wagen, in dir
solche Gefühle zu erwecken? Was fällt dir
ein, auf einen derart ketzerischen Zauber hereinzufallen?
    »Auch Ihr sollt gehen, Graf«, sagte die Königin. Ihre Stimme schien
wie aus weiter Ferne zu kommen. »Der Vertrag kann warten. Unser Feldzug in die
Bretagne nicht. Eure achthundert Ritter, Graf Theobald, sind uns eine große
Hilfe. Aber wie Ihr wisst, reichen sie nicht. Mir ist jetzt eingefallen, wie
wir unsere Truppe verstärken können. Mit den Bürgern, den Städten, die mir schon
einmal geholfen und mir Treue geschworen haben. Zieht los, Graf Theobald,
erinnert die Bürger an ihr Versprechen und sammelt sie alle ein. Morgen kehre
ich nach Paris zurück, übermorgen brechen wir auf. Wir haben keine Zeit mehr zu
verlieren! Fort mit Euch!«
    Grollend blickte Theobald von Raimund zu Blanka, von Blanka zu
Raimund. Er vermeinte, den unsichtbaren magischen Kreis zu erkennen, der das
Paar umgab und ihn sowie den Rest der Welt ausschloss. Als Troubadour hätte er
vor einer solch geballten Manifestation von Liebe auf den ersten Blick jubeln
sollen. Bei jedem anderen Paar hätte er dem Triumph des hehrsten der Gefühle
frohlockende Verse gewidmet, doch dieser Konstellation konnte er nur prosaische
Wut abgewinnen. Wut auch auf sich selbst; schließlich hatte er diese Begegnung
gefördert und herbeigeführt. Cousin und Cousine hatte er zusammenbringen
wollen, nicht Mann und Frau.
    »Was ist mit Johanna? Und mit Clara?«, lockte er, ohne sich von
der Stelle zu rühren.
    »Können auch warten!«, versetzte Blanka scharf. Die Wärme von
Raimunds Hand auf ihrem Arm schien ihr schon fast die Knochen zu versengen.
Lange würde sie nicht mehr denken oder sprechen können. »Geht mir aus den
Augen, Graf Theobald, und meldet Euch erst wieder, wenn Ihr die Truppen gesammelt
habt, derer wir bedürfen!«
    Jedenfalls hat sie nicht vor, sich mit ihm auf längere Zeit
behaglich bei mir einzurichten, tröstete sich Theobald, als er den Saal
verließ.
    Während der langen Ritte der darauffolgenden Stunden malte er sich
aus, um welche weiteren Demütigungen er den Vertrag mit Raimund noch bereichern
könnte. Seine ärgste Vorstellung betraf Clara. Während er und seine Männer die
Bürgerschaft für den Feldzug in die Bretagne anwarben, stellte er sich vor, wie
er den Grafen von Toulouse zwänge, die eigene Schwester höchstselbst auf den
Scheiterhaufen zu heben und diesen anzuzünden. Dass Blanka solches nie zulassen
würde, verdrängte er bei seinen Träumereien. Wie auch den Gedanken an all das
Widerwärtige, das sich jetzt hinter den Mauern seiner Burg von Meaux zweifellos
zwischen Königin Blanka und Graf Raimund abspielte. Rein wie eine Lilie,
entsann er sich empört einer Liedzeile, die er ihr einst gewidmet hatte. Voller
Zorn schmiedete er neue Verse. Von vermodernden, faulig stinkenden, schwarzöligen
Lilienblüten, die Blanka befleckten wie die Hure von Babylon!
    Schlaflos wälzte er sich in der darauffolgenden Nacht auf seinem
einsamen Lager in Paris herum. Er sah hinter seinen geschlossenen Lidern, wie
der nackte

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