Die Kathedrale der Ketzerin
amnestiert und mit Geld- und Landgeschenken auf ihre Seite gezogen
hatte, reiste sie mit Ludwig und einer Streitmacht nach Süden. Sie hatte von
einer Versammlung der rebellischen Barone in Thouars erfahren und wollte so
rasch wie möglich Verhandlungen einleiten. Als Ziel setzte sie sich, ohne
jegliches Blutvergießen wieder Frieden im Land herzustellen. Nach einem
großartigen Empfang in Tours wünschte Blanka die Abtei des heiligen Martin zu
besichtigen.
»Hier hat es einst ein Grab gegeben, an dem ich jetzt gern beten
würde«, vertraute sie Clara leise an, als sie durch den Kreuzgang wandelten.
»Das Grab einer bewundernswerten großen Frau, die wie eine Löwin für ihren Sohn
und seine Rechte gekämpft hat. Aber leider ist ihre Grabstätte beim
Normanneneinfall zehn Jahre nach ihrem Tod zerstört worden. Bitte geht!«,
wandte sie sich an ihre männlichen Begleiter. »Ich wünsche mit meiner Freundin
allein zu sein.«
Clara, unsicher, ob mit dieser Freundin die fremde Tote oder sie
gemeint war, blickte Blanka fragend an. Die nahm lächelnd ihren Arm.
»Ich glaube kaum, dass die Seele der Welfenkaiserin Judith, die
Frau, von der ich soeben sprach, noch in diesen Hallen weilt, aber ich fühle
mich ihr sehr verbunden.«
»War das nicht die Gemahlin Ludwigs des Frommen, der ein Verhältnis
mit dem Grafen von Toulouse nachgesagt wurde?«, fragte Clara, »und die schuld
am Untergang des Karolingerreichs gewesen sein soll?«
»Gerüchte und Unterstellungen!«, fuhr Blanka auf. »Schon damals
konnten es die hohen Herren bei Hofe nicht ertragen, von einem Weib und einem
Kind regiert zu werden. Das hat zu fürchterlichen Kriegen unter den Nachfahren
des großen Karl geführt. Und Kriege möchte ich mit dieser Reise vermeiden. Wir
lagern morgen in Loudun, keinen halben Tagesritt von Thouars entfernt; also nah
genug, um mit den Gegnern unseres Hauses zu verhandeln, und entfernt genug, um
vor einem Überraschungsangriff geschützt zu sein. Und du, Clara, wirst die
erste Abordnung begleiten.«
»Ich?«, fragte Clara und blieb erschrocken stehen. »Was soll ich
da? Ich verstehe doch nichts von Politik und Verhandlungen.«
»Aber etwas von unserem Grafen Theobald. Du brauchst gar nicht mit
ihm zu reden. Beobachte ihn nur genau und finde heraus, ob sein Herz
tatsächlich für einen Aufstand schlägt oder nicht vielleicht doch für die, der
er es in so vielen schönen Gedichten geweiht hat. Wirke auf ihn ein, zu uns
zurückzukehren, wenn du es vermagst. Es soll sein Schaden nicht sein.«
»Man wird mich als Frau zu den Beratungen gar nicht zulassen«, gab
Clara zu bedenken.
»Aber du wirst Gelegenheit finden, unserem Theobald einen Brief
zuzustecken. Mit dieser Aufgabe mag ich keinen der Männer betrauen.«
»Und wie soll meine Anwesenheit begründet werden?«
»Mit der Wahrheit«, erwiderte Blanka schlicht. »Du bist die
Schwester des Grafen von Toulouse, fühlst dich am Königshof nicht mehr wohl und
suchst einen Zug in deine Heimat, dem du dich anschließen kannst. Das ist es
doch, was du willst?«
Clara nickte.
Blanka brauchte sie nicht mehr, und bei den Konflikten, denen sich
die Königin jetzt gegenübersah, konnte ihr Clara keine Hilfe sein. Ja, es war
Zeit zurückzukehren, zu ihren
Leuten , zu jenen, die im Languedoc noch übrig geblieben waren. Es
war Zeit herauszufinden, ob sie überhaupt noch des katharischen Glaubens würdig
war. Davon, eine Perfecta zu werden, wagte sie nicht einmal mehr zu träumen. Zu
sehr hatte sie sich versündigt.
»Du reist aber erst weiter, wenn ich dir die Erlaubnis erteile«,
fuhr Blanka fort. »Ich werde jeden Tag einen Knappen mit einer Botschaft zu dir
schicken, dem du dann wiederum deine Beobachtungen mitteilst.«
Graf Richard von Cornwall, Bruder des englischen Königs
Heinrich, hatte zwei Jahre zuvor nach Frankreich übergesetzt und sich den Titel
des Grafen von Poitiers mit der frechen Behauptung angeeignet, er habe ihn von
seinem Oheim und Paten Richard Löwenherz geerbt. Nur zu gern schloss er sich
jetzt den aufständischen französischen Baronen an, überzeugt, nach dem Sieg
über das derzeitige Königshaus auch mit Mauclerc und dessen unbegründeten
Ansprüchen auf den Königsthron fertig zu werden. Den anderen Barönchen würde er
später schon die Vorstellung austreiben, Frankreich müsse unbedingt auf alle
Zeiten französisch bleiben. Eins nach dem anderen.
Ein schönes Land, dachte er, als er an diesem Februarmorgen vor den
Toren der Stadt über das fruchtbare
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