Die Kathedrale der Ketzerin
garantiert Verbitterung und scharfzüngige Verhandlungsführung. Der
ärgste Feind ist der Freund von gestern, geschätzter Richard, das wissen wir
doch alle. Wir verzeihen keinem, der uns in unseren schwächsten Stunden erlebt
und diese auch noch für sich ausgenutzt hat. Die Königin hat Graf Theobald schwer
in der Seele verwundet, als sie ihn aus seiner Stadt warf, also ist ihm noch
mehr als uns an ihrer Beseitigung gelegen.«
Der Engländer schüttelte den Kopf. Es sei immer gefährlich, Politik
mit Gefühlen zu vermischen, da Letztere gänzlich unberechenbar seien, bemerkte
er und warnte: »Enttäuschte Liebe ist ein schlechter Ratgeber. Und
unterschätzt die Zauberkraft meiner Cousine Blanka nicht. Diese Frau ist aus
dem gleichen harten Holz geschnitzt wie unsere Großmutter Eleonore von
Aquitanien – die hat alles bekommen, was sie wollte. Einen Grafen von Champagne
verzehrt ein solches Weib als Vorspeise.«
»In Anbetracht der Leibesfülle, die sich der Graf inzwischen
zugelegt hat, dürfte ihr davon ordentlich schlecht werden«, erwiderte Mauclerc
lachend.
Die Forderungen der Barone an die Königin waren in wenigen Worten
zusammengefasst: mehr Macht, mehr Ländereien, mehr Geld, weniger Abgaben,
weniger Verpflichtungen und am liebsten völlige Eigenständigkeit.
Im Gegenzug boten sie nur Waffenruhe an. Eine Garantie für
langwierige und vermutlich fruchtlose Verhandlungen, die einen Waffengang
einleiten sollten.
Noch am Mittag überquerte Theobald mit Graf Heinrich die Dive und
ritt auf Loudun zu. Blanka kennend vermutete er, sie würde die Unterhändler
erst nach einer langen Zeit des Wartens empfangen. Aber da hatte er sich
geirrt. Gleich nach ihrer Ankunft auf der mächtigen Burg wurden die beiden
Männer vorgelassen.
»Wie schön, Euch endlich wiederzusehen, Graf Theobald«, begrüßte ihn
Blanka mit weicher Stimme im Rittersaal, »und Euch besser kennenzulernen, Graf
Heinrich, stets ein treuer Freund unseres Hauses und, wenn ich recht informiert
bin, auch des Kaisers.«
»Ihr seid uns willkommen, wenn Ihr Frieden bringt«, erklang die
helle Stimme ihres Sohnes, der neben ihr auf einem hohen Stuhl saß und im
schwachen Schein der Wandfackeln trotz der schmalen Gestalt ein ganzes Stück
älter aussah, als ihn Theobald in Erinnerung hatte.
»An Frieden ist uns sehr gelegen«, brach es aus ihm heraus. Frieden
war keine Option, die mit den anderen Baronen abgesprochen war. Sein Auftrag
war unmissverständlich: Er sollte die Königin unter gewaltigen Druck setzen
und ihr erbarmungslos verdeutlichen, dass ihre Regentschaft nicht akzeptiert
werde. Aber Theobald sah sich dazu außerstande.
Blankas Anblick und Stimme hatten ihn wieder gebannt.
Am liebsten wäre er der Herrin zu Füßen gefallen und hätte sie
angefleht, ihn wieder in Gnaden aufzunehmen. Wie ein Vogelschwarm aus einem
Baum waren alle zuvor bedachten Taktiken und raffinierten Winkelzüge aus seinem
Hirn geflattert. Er hatte sich äußerlich Fett angefressen und innerlich
gewappnet, entschlossen, sich nie wieder der Hilflosigkeit seiner Gefühle
auszusetzen, doch jetzt war jeglicher Vorsatz dahin.
»Wie ich sehe, Graf, habt Ihr es Euch gut ergehen lassen«, sagte
Blanka schmunzelnd und malte mit beiden Händen einen Bauch in die Luft vor
ihrem Leib.
Es sah aus, als deutete sie eine Schwangerschaft an, was Theobald
sogleich an den Akt erinnerte, der einer solchen voranging, an seinen
Lebenstraum, die Frau vor ihm wenigstens einmal umfangen zu dürfen …
Erschüttert von der Ohnmacht seines Willens, senkte er den Kopf.
Die Königin klatschte in die Hände.
»Auf, Ihr Herren«, sagte sie munter, sprang leichtfüßig wie ein
junges Mädchen von ihrem hohen Stuhl und trat auf die beiden Männer zu, die als
Unterhändler in die Burg gekommen waren. »Wir werden uns jetzt alle gemeinsam
stärken und dabei zusammen überlegen, wie die Misslichkeiten zu beseitigen
sind.« Sie reichte jedem der Männer einen Arm, wandte sich an Heinrich und
zwitscherte: »Guter Graf Heinrich, Ihr müsst mir unbedingt von Euren
Erlebnissen in der Schlacht von Bouvines erzählen, wo Ihr, wie mein Gemahl mir
oft berichtete, so tapfer mit ihm gegen Frankreichs übelsten Feind gekämpft
habt.«
Gegen Johann Ohneland, den Vater des Richard von Cornwall, dachte
der Graf von Bar betroffen und fragte sich, nicht zum ersten Mal, wo seine
wahre Loyalität eigentlich liegen sollte.
Es wurde ein sehr vergnüglicher Abend, an dem weder über Geld, noch
Macht oder
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