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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Raum hatte er damit feuchte Augen beschert.
Das, was ihn ausmachte, anrührende Worte für die Trauer um ein nie gelebtes
Leben mit der Geliebten zu finden und mit Musik zu untermalen, das fand er nur
in Blankas Nähe. Sie war die Quelle seiner Inspiration, der Atem seiner Kunst.
Was sollte er da noch bei den Aufständischen? Die Drehleier stand ihm näher
als das Schwert.
    Auch sein Begleiter Heinrich von Bar hatte ihm schon längst
gestanden, einer Rebellion, von der er sich selbst wenig verspreche, müde zu
sein. Die penetrante Arroganz Richards von Cornwall bereite ihm geradezu
körperliche Pein.
    »Er führt sich auf, als stünde England die Welt zu«, hatte er
Theobald gegenüber geklagt. »Der Sohn von Johann Ohneland will viel Land
erobern, unser Land, und dabei sollen wir ihn auch noch unterstützen? Pass
nur auf, morgen fordert er deine Champagne ein!«
    So ritten sie ein ums andere Mal nach Loudun, genossen die fröhliche
Unterhaltung, das gute Essen, den hervorragenden Wein und sprachen kein
einziges Mal über die Bedingungen, derentwegen sie die Königin eigentlich
aufgesucht hatten. Und Blankas einzige Sorge schien das Wohl der geschätzten
Gäste zu sein.
    »Irgendwie wird sich alles von selbst klären«, bemerkte Theobald,
als er mit Heinrich zum vierten Ritt aufbrach und sein Mitstreiter anmerkte,
man könne doch nicht ewig so tun, als täte man etwas.
    »Doch«, antwortete Theobald. »Taten tun nicht immer gut. Es wird
sich schon von ganz allein was tun.«
    So geschah es auch.
    Clara hatte unter großen Mühen endlich das Loch in den
Boden gebohrt. Die leere kleine Kammer neben dem ihr zugewiesenen Gemach lag
unmittelbar über dem Raum, in dem die Barone ihre Beratungen abhielten, und
endlich konnte sie hören, worüber gesprochen wurde.
    Sie hatte lange überlegt, wie sie Blanka behilflich und der ihr
zugewiesenen Aufgabe gerecht werden könnte, aber es lag ihr nun einmal nicht
sonderlich, die Herren Barone in unverfängliche Gespräche zu verwickeln und
dann etwas Wichtiges aus ihnen herauszulocken, so wie es ihre kluge Freundin
vermochte. Sie wäre sich dabei zu verlogen
vorgekommen und war sich zudem sicher, dass man ihr sofort die Absicht
anmerken würde. Sie musste zu anderen Mitteln greifen, zu passiveren. Zum
Beispiel zum Lauschen.
    Sie sorgte dafür, dass der Riegel an der Tür vorgeschoben war, legte
sich der Länge nach auf den Boden und hielt das Ohr an jenes Loch, das sie am
Vortag in den Holzboden gebohrt und dessen Füllung sie noch vor dem
Morgengrauen aus dem Raum unter sich in die Feuerstelle geworfen hatte.
    Wer nach oben blickte, hätte höchstens eines üblichen Astloches in
der Decke gewahr werden können.
    Clara sorgte sich um Theobald. Aus Blankas Nachrichten wusste sie,
in welcher Gefahr er schwebte, aber er selbst schien davon wenig Ahnung zu
haben.
    »Alles wird gut, Clara«, hatte er ihr am Morgen zugeraunt, »die
Königin hat mich wieder in Gnaden aufgenommen. Sie behandelt mich nicht nur wie
einen Menschen, sondern wie einen Freund.«
    Das alte Lied. Clara hätte Theobald am liebsten eine Ohrfeige
versetzt, um ihn auf den Boden der Wirklichkeit zurückzuholen. Es ging nicht um
ihn und seine verzweifelte Liebe. Es ging um Frankreich, um das Weiterbestehen
des Königshauses, um Blankas Sohn und Blankas Leben. Und um sein eigenes. Er
war der Unterhändler jener Barone, die ebendieses Königshaus stürzen wollten.
Aber er war eben auch Theobald und konnte nicht anders. Weshalb ihn Clara immer
noch irgendwie liebte.
    War er nicht genauso verloren wie sie, die dieses Königshaus eigentlich
hassen müsste, weil es gegen alles stand, an das sie ernsthaft glaubte? Und
doch war sie immer wieder zu Blanka zurückgekehrt und bei ihr geblieben. Genau
wie Theobald. Zum ersten Mal überlegte Clara, ob Heimat nicht viel mehr mit
Menschen als mit Orten zu tun haben mochte.
    »Der Graf von Champagne ist ein Verräter«, donnerte Savary de
Mauléon, der einstige Seneschall des englischen Königs Heinrich und Sheriff von
Somerset, der als furchterregender Räuberhauptmann zu großem Reichtum gekommen
war, sich nebenbei als Troubadour einen Namen gemacht hatte und als
schillerndste Gestalt die Runde der aufständischen französischen Barone
belebte. Denn auch er hatte Interessen in Frankreich.
    »Ich habe einen Späher in Loudun«, fuhr er fort. »Der berichtet, wie
der Graf von Champagne der Königin süße Lieder vorspielt …« Es entstand eine
Pause, in der Clara förmlich spürte, wie

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