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Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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Er vermutete, daß die Bibliothek ein Vermögen an Erstausgaben beherbergte. Auf einem Regal entdeckte er eine Sammlung pikanter Romane aus den zwanziger Jahren mit Tante Fannys persönlichem Exlibris, und als Rosemary in das Zimmer gestürzt kam, war er in Fünf frivole Damen von Gladys Gaudi vertieft.
»Qwill, ich habe etwas Unglaubliches entdeckt!«
»Das Testament?«
»Nicht das Testament. Noch nicht. Aber in dem Schrankkoffer befinden sich Fannys Sammelalben, die bis zurück zu ihrer Schulzeit reichen. Weißt du eigentlich, daß die gute Tante Fanny in New Jersey einst eine exotische Tänzerin war?«
»Eine Stripperin? Beim Variete?«
Rosemary feixte. »Sie hat alle Anzeigen und einige >künstlerische Fotos< aufgehoben, und ein paar glühende Fanbriefe. Kein Wunder, daß sie wollte, daß du ein Buch darüber schreibst! Komm mit hinauf. Die Sammelalben sind alle mit Datum versehen. Ich habe gerade erst angefangen.«
Sie brachten einige Stunden mit der Erforschung des Schrankkoffers zu, und Qwilleran sagte: »Ich komme mir vor wie ein Voyeur. Als sie mir sagte, sie habe in Klubs gearbeitet, stellte ich mir Gartenklubs vor und Wohltätigkeitsveranstaltungen für Krankenhäuser und nachmittägliche Weiterbildungsklubs.«
In Wirklichkeit hatte sie in Nachtklubs in Atlantic City Karriere gemacht, zuerst als Bühnenstar, dann als Managerin und schließlich als Besitzerin; am erfolgreichsten war sie während der Prohibition gewesen. Sie fanden Zeitungsauschnitte von Klatschspalten, Bilder von Francesca's Klub und Fotos von Francesca selbst, die sie mit Politikern, Filmstars, Baseballstars und Gangstern zeigten. Von einer Heirat war nicht die Rede, doch es hatte offenbar einen Sohn gegeben. Ein Album enthielt seine Bilder vom Baby- bis zum Erwachsenenalter, bis er – laut Zeitungsmeldungen – bei einem mysteriösen Unfall in New York ertrunken war. Aber ein Testament war nicht da.
Qwilleran rief Penelope an, um ihr zu sagen, daß sie am nächsten Tag ihre Suche fortsetzen würden. Er tat, als sei das eine langweilige und deprimierende Arbeit. In Wirklichkeit drängte die Aufregung über Fannys Vorleben die Trauer über ihren Tod gänzlich in den Hintergrund, und sowohl er als auch Rosemary waren seltsam freudig erregt.
Sie sagte: »Wir war's, wenn wir etwas ganz Tollkühnes machen? Gehen wir doch auf der Heimfahrt in die >DimsdaleBude< essen!«
Der Güterwaggon stand an einem trostlosen Abschnitt der Landstraße. Weit und breit kein anderes Gebäude zu sehen – nur das vermoderte Holz der Hütte am Eingang zur DimsdaleMine. Auf der Wiese, die als Parkplatz fungierte, standen keine Fahrzeuge, doch an der Tür hing ein Schild mit der Aufschrift OFFEN, das einem anderen Schild im Fenster widersprach, auf dem GESCHLOSSEN stand.
In die Seitenwände des Waggons hatte man alle möglichen Arten von Fenstern eingebaut, je nachdem, welche Größen und Formen auf der hiesigen Müllhalde gerade verfügbar waren. Innen waren die Wände mit vergilbten Postern und ausgeblichenen Speisekarten tapeziert, die zum Teil aus Zeiten stammten, in denen der Kaffee fünf Cents und ein Sandwich ganze zehn Cents gekostet hatte. Qwilleran hob seine empfindliche Nase und schnupperte. »Gedünsteter Kohl, gebratetene Zwiebeln und Marihuana«, stellte er fest. »Ich sehe keinen Oberkellner. Wo möchtest du gerne sitzen, Rosemary?«
Entlang der Rückwand erstreckte sich eine abgenutzte Theke, vor der eine Reihe von Hockern stand; einige waren nur noch Stümpfe ohne Sitzflächen. Die Tische und Stühle stammten aus der Zeit der Depression, wahrscheinlich aus den Küchen der Bergleute. Es gab nur ein Zeichen menschlichen Lebens, und selbst das war nicht eindeutig. Ein großer, dürrer Mann, der wohl seit einer Woche nichts mehr gegessen haben mochte, tauchte wie ein Schlafwandler aus dem schmuddeligen Dunkel im hinteren Teil des Waggons auf.
»Nettes kleines Lokal haben Sie da«, sagte Qwilleran strahlend. »Was ist Ihre Spezialität?«
»Gulasch«, sagte der Mann mit der blechernen Stimme.
»Wir haben gehofft, daß sie Kalbfleisch-Cordon-bleu haben. Haben Sie Artischocken? ... Nein? ... Keine Artischocken, Rosemary. Willst du woanders hingehen?«
»Ich möchte das Gulasch versuchen«, sagte sie. »Glaubst du, es ist echtes ungarisches Gulasch?«
»Die Dame würde gerne wissen, ob es echtes ungarisches Gulasch ist«, teilte Qwilleran dem Kellner mit.
»Weiß ich nich'.«
»Ich glaube, wir nehmen beide das Gulasch. Es klingt hervorragend. Und haben Sie

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