Die Katze die Brahms spielte
Echte Seidenstrümpfe und Seidenunterwäsche, stell dir das vor! Unmengen weiße Leinentaschentücher... viele weiße, leicht vergilbte Glacehandschuhe... und alles riecht nach Lavendel. Was hast du entdeckt?«
Qwillerans Liste war genauso enttäuschend. »Tonnen von Bettlaken. Etliche Zentimeter dicke Bettdecken, die nach Zeder riechen. Mit den weißen Handtüchern, die es hier gibt, könnte man ein türkisches Bad ausstatten. Und mit den Tischtüchern könnte man ein Squashfeld abdecken.«
»Wie geht es jetzt weiter?«
»Vielleicht gibt es einen Safe«, sagte er. »Er könnte in ein Möbelstück oder in eine Holzvertäfelung eingebaut oder hinter einem Bild verborgen sein. Wenn Fanny so sehr darauf bedacht war, den Inhalt ihres Testaments geheimzuhalten, dann hat sie es sicher in einem Safe aufbewahrt.«
»Den zu finden, kann Wochen dauern. Da müßte man das ganze Haus auseinandernehmen.«
Aus der Ferne drang ein Heulen zu ihnen, das durch die stillen Räume hallte. »Das ist Koko«, sagte Qwilleran. »Er protestiert dagegen, daß er so lange eingesperrt ist. Weißt du, Rosemary, der kleine Teufel hat einen sechsten Sinn für solche Sachen. Wir könnten ihn durch das Haus wandern lassen, um zu sehen, was ihn interessiert.«
Sobald Koko aus der Küche herausgelassen wurde, ging er durch das Arbeitszimmer in den Speisesaal – er schritt mit der Würde eines Monarchen auf Staatsbesuch, den Kopf majestätisch erhoben, Ohren und Schwanz stolz aufgerichtet. Er schnupperte hingebungsvoll an den geschnitzten Kaninchen und Fasanen an den Türen und der riesigen Anrichte, doch sie enthielt nur Suppenterrinen und Silbertabletts. Im Foyer faszinierte ihn ein Fleck auf dem Teppich am Fuß der Treppe, bis Qwilleran ihn ausschalt und ihm vorwarf, geschmacklos zu sein. Im Saloon untersuchte er die Tasten des alten Klaviers und rieb sich an den bauchigen Beinen. In der Bibliothek und im Wintergarten erregte gar nichts sein Interesse, doch dann entdeckte er die Kellertreppe und führte sie hinunter in den englischen Pub.
Es war ein dunkler, holzgetäfelter Raum mit Steinfußboden, etlichen Wirtshaustischen und einfachen Holzstühlen. Hinter einer wuchtigen Theke gab es eine mit kunstvollen Schnitzereien und bleigefaßtem Glas verzierte Bar. Koko schnüffelte hinter der Theke herum und erstarrte dann plötzlich. Im Zeitlupentempo schlich er sich an einen Schrank unter der Theke an. Er wartete und starrte auf den unteren Rand der Schranktür. Qwilleran legte einen Finger auf die Lippen. Weder er noch Rosemary wagten sich zu bewegen oder auch nur zu atmen. Dann machte Koko einen Satz. Entsetztes Quieken ertönte, und Koko sprang frustriert hin und her.
»Eine Maus«, sagte Qwilleran lautlos in Rosemarys Richtung. Er ging auf Zehenspitzen hinter die Theke und öffnete die Schranktür. Ein winziges graues Etwas schoß heraus, und Koko jagte hinterher.
»Lassen wir ihn«, sagte Qwilleran. »Da ist er ja!« Im Schrank stand ein alter schwarz-goldener Safe mit Kombinationschloß. »Es gibt nur ein Problem. Wie bekommen wir ihn auf?«
»Ruf Nick an.«
»Nick und Lori kommen morgen zum Gottesdienst in die Stadt. Der Safe kann solange warten. Fahren wie heim und essen wir den Truthahn.«
Sie kauften einen Pickax Picayune und sahen, daß der Nachruf auf Fanny die gesamte Titelseite einnahm. Sogar die Kleinanzeigen, die normalerweise die erste Spalte der ersten Seite füllten, waren weggelassen worden. Der Nachruf stand in großen Lettern schwarz umrahmt mitten auf der Seite, und dieser Kasten war nochmals von einem dicken schwarzen Rand eingefaßt. Am Ende der Seite stand ein kleingedruckter Hinweis, daß sich der Nachruf zum Einrahmen eigne.
Rosemary las ihn auf dem Weg nach Mooseville laut vor, und Qwilleran nannte ihn ein Meisterwerk an ausweichenden Formulierungen und blumigen Übertreibungen. »Solche Nachrufe hat man im neunzehnten Jahrhundert geschrieben. »Warte, bis ich den Chefredakteur sehe! Es ist nicht leicht, eine ganze Seite zu schreiben, ohne etwas zu sagen.«
»Aber Bilder gibt es keine.«
»Der Picayune hat die Erfindung der Photographie stets ignoriert. Lies ihn mir nochmals vor, Rosemary. Ich kann es nicht fassen.«
Die Überschrift war einfach: Die Große Alte Dame ist von uns gegangen.
Rosemary las vor:
Im Genuß der Früchte eines rechtschaffenen Lebens, ohne das Leid des körperlichen Verfalls, den Schmerz der Trennung oder die Qual der Krankheit ertragen zu müssen, und im glücklichen Bewußtsein, ihr Werk für die
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