Die Katze, die Domino spielte. Roman.
NOISETTE PARIS… PALM BEACH.
Das Schild erregte seine Neugier. Warum sollte ein Händler, der Geschäfte in Paris und Palm Beach hatte, Pear Island als Ort für eine Sommerniederlassung wählen?
Es gab noch andere Schilder, die sein Interesse weckten. Das Schild im Schaufenster, auf dem ›Offen‹ gestanden hatte, als das Geschäft geschlossen war, war jetzt umgedreht: es zeigte die Aufschrift ›Geschlossen‹, doch das Geschäft war offen. Auf dem Glas in der Eingangstür klebte ein weiteres Schild: Kein Zutritt für Kinder, außer in Begleitung eines Erwachsenen.
Im Laden waren keine Kunden, und Qwilleran verstand auch, warum. Noisette verkaufte ausschließlich Antiquitäten - keine Ansichtskarten, Karamellen oder T-Shirts. Er schlenderte betont langsam in das Geschäft, um sein Interesse an den Masken zu verbergen; das war Regel Nummer eins für die Standardvorgangsweise beim Antiquitätenkauf, wie man ihm gesagt hatte. Zuerst inspizierte er die Unterseite eines Tellers und hielt einen Kristallgegenstand gegen das Licht, als wüßte er, was er da tat.
Aus dem Augenwinkel sah er eine Frau, die an einer Verkaufstheke saß und eine französische Zeitschrift las. Sie war kaum die freundliche, leutselige Händlerin, die man auf einer Insel vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt erwartet hätte. Sie besaß den ungezwungenen Schick, den man mit Pariserinnen in Verbindung bringt: dunkle Haare, die zurückgekämmt waren und ihr schön geformtes Gesicht betonten; glänzende Augen von einem ungewöhnlichen Braun; winzige Diamantohrringe.
»Guten Abend«, sagte er mit der wohlklingenden Stimme, die er nur einsetzte, wenn er Frauen beeindrucken wollte.
»Oh! Pardon!« sagte sie. »Ich habe Sie nicht eintreten sehen.« Ihre präzise Aussprache ließ an Paris denken, und als sie aufstand und hervorkam, dachte er beim Anblick ihrer jadefarbenen Seidenbluse und der perfekt geschnittenen weißen Hose an Florida.
»Sie haben da ein paar interessante Sachen«, sagte er und verglich sie im Geist mit den Plastikbirnen und den schlüpfrigen Autoaufklebern im Laden nebenan.
»Ah! Was sammeln Sie denn?«
»Nichts Besonderes. Ich bin schon vorher vorbeigekommen, aber Ihre Tür war geschlossen.«
»Ich habe eine kleine Stärkung zu mir genommen, tut mir leid.« Sie ging zu einer abgeschlossenen Vitrine, in der hinter Glas kleine Figürchen standen. »Sind Sie an präkolumbianischer Kunst interessiert? Ich nehme sie aus dem Schrank.«
»Nein, danke. Machen Sie sich keine Mühe. Ich sehe mich nur ein wenig um.« Er wanderte noch ein Weilchen ziellos herum und sagte dann: »Diese Masken im Schaufenster – woraus sind die?«
»Sie sind aus Leder hergestellt, ein sehr altes venezianisches Handwerk, das große Präzisierung erfordert. Ich habe sie aus der Sammlung eines berühmten französischen Filmschauspielers, dessen Namen ich nicht nennen darf, fürchte ich.«
»Hmmm«, machte Qwilleran, ohne Begeisterung zu bekunden. Dann nahm er einen ganz gewöhnlich aussehenden Gegenstand aus grünem Glas zur Hand. »Und was ist das?«
»Solches Glas wurde zur Zeit der Wirtschaftskrise hergestellt.«
Das rechteckige Tablett aus grünem Glas weckte vage Erinnerungen. Als er klein war, hatte seine Mutter so eine Schale auf ihrer Frisierkommode stehen gehabt. Sie hatte immer gesagt: »Jamesy, bring mir doch bitte meine Lesebrille von der Nadelschale auf der Kommode – braver Junge.« Er hatte niemals irgendwelche Nadeln auf der Nadelschale gesehen, aber er erinnerte sich noch ganz genau an das Muster im Glas.
»Wieviel verlangen Sie dafür?« fragte er.
»Fünfundzwanzig Dollar. Ich habe ein Speiseservice im selben Muster – sechzehn Teile –, und ich mache Ihnen einen sehr guten Preis, wenn Sie alles zusammen nehmen.«
»Und wieviel verlangen Sie für die Masken?«
»Dreihundert. Sind Sie Theaterakteur?«
»Ich bin Journalist, aber ich interessiere mich für Theater. Ich bin hier, um ein paar Beiträge über die Insel zu schreiben. Wie geht das Geschäft?«
»Viele Menschen kommen, um sich umzusehen, aber es ist noch zu früh. Die Connaisseure, sie sind noch nicht gekommen.«
Gewollt gleichgültig meinte Qwilleran: »Sie könnten mir die Masken einmal zeigen.«
Sie holte die Komödie aus dem Schaufenster, und er stellte überrascht fest, wie leicht sie war (wo sie doch schwer aussah) und wie weich sie sich anfühlte (obwohl sie hart wirkte). Er gab bewußt keinen Kommentar ab und verzog keine Miene.
»Wenn sie Ihnen
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