Die Katze, die Domino spielte. Roman.
Häuserreihe ziehen. Sie hatte Angst, sie würde die Hardings mit ihrer Musik stören. Das war sehr rücksichtsvoll von ihr… Werden Sie sich von der Veranda aus den Sonnenuntergang ansehen, Qwill?«
»Vorher muß ich noch etwas erledigen«, sagte er und lief eilig aus dem Büro.
Als Qwilleran vom Abendessen im Hotel zurückkam, boykottierten die Katzen noch immer die Schonbezüge. Statt auf den Sitzkissen oder dem Bett zu liegen, kauerten sie in unbequemer Haltung auf dem Schreibtisch, der Arbeitsfläche in der Küche, der Kommode oder dem Imbißtisch.
»Okay, ihr beiden!« sagte er. »Weg mit euch! Wir machen ein Experiment.« Er jagte sie auf die Veranda und nahm alle Schonbezüge, Vorhänge und die Bettdecke ab. Außerdem öffnete er alle Fenster, um die in den Räumen lastende Erinnerung an June Halliburton zu vertreiben, einem Gemisch ihres Moschusparfums und abgestandenem Rauch. Wußten die Bambas, daß sie eine passionierte Raucherin war? Wahrscheinlich nicht. Er stopfte die penetranten Schonbezüge vorläufig in den Schlafzimmerschrank.
Jetzt – ohne Rosen und Iris – waren die Räume so trostlos, wie sie vorher knallig gewesen waren: Rollos an den Fenstern, eine farblose Decke auf dem Bett und abgewetzte Kunstlederbezüge auf dem Sofa und den Sesseln. Er hatte ein schlechtes Gewissen, daß er die Katzen in dieser öden Umgebung eingepfercht ließ.
»Was haltet ihr davon, wenn ich euch etwas vorlese?« fragte er sie. Er streckte sich auf einem Sessel aus, der ganz bequem war, wenn man von einer kaputten Feder im Sitz absah. Yum Yum legte sich auf seinen Schoß, Koko nahm auf der Armlehne Platz, und er las ihnen aus Waiden vor. Er las von den wilden Mäusen rund um den Waidensee, von der Schlacht der Ameisen und von der Katze, die jeden Winter Flügel bekam. Bald wirkte seine beruhigende Stimme einschläfernd auf sie, und ihre pelzigen Bäuchlein hoben und senkten sich sanft und gleichmäßig.
Es war ihre erste Nacht auf der Insel, und es war totenstill. Selbst im ländlichen Moose County konnte man das summende Geräusch der Autos auf einer fernen Straße hören. Auf der Insel herrschte atemlose Ruhe. Es war windstill, kein Blatt rauschte im nahen Wald; das Wasser des Sees schlug vollkommen geräuschlos ans Ufer.
Plötzlich – in der finstersten Stunde der Nacht – wurde Qwilleran von einem wilden, dämonischen Geschrei und Geheul aus dem Schlaf gerissen. Er setzte sich auf und wußte nicht, wo er war. Als er nach einem Nachttisch tastete, kam er wieder zu sich. Die Katzen! Wo waren sie? Er stolperte aus dem Schlafzimmer, suchte einen Lichtschalter und sah, daß die Katzen hellwach und kampfbereit waren – sie machten einen Katzenbuckel, sträubten den Schwanz und fauchten und knurrten die Bedrohung draußen an.
Er stürzte mit einer Taschenlampe auf die Veranda und leuchtete damit auf ein Gewirr von wilden Tieren, die schaurige Schreie ausstießen. Er lief zurück in die Küche, füllte einen Topf mit Wasser und schüttete ihn durch die Hintertür hinaus. Ein höllisches Gezeter hob an, und dann verschwanden die Dämonen in der Nacht. Die Katzen waren vollkommen fertig, also ließ er die Schlafzimmertür offen und verbrachte den Rest der Nacht als menschliches Sandwich zwischen zwei warmen Tierkörpern.
Als er sich am nächsten Morgen zum Frühstück anzog, dachte er: Verdammt! Warum sollen wir eigentlich hierbleiben? Ich werde irgendeine Ausrede erfinden. Wir nehmen die Fähre zurück.
»Ik ik ik«, ertönte eine krächzende Antwort aus dem Nebenzimmer, als wüßte Koko, was Qwilleran gerade dachte.
»Bedeutet das nun ›ja‹ oder ›nein‹, mein Junge?«
»Ik ik ik!« Das hatte eindeutig einen negativen Unterton.
»Nun, wenn du es aushältst, kann ich es wohl auch aushalten.« Qwilleran mied den Schrank mit dem duftenden Bündel von Schonbezügen und dergleichen und nahm sich Shorts und ein T-Shirt aus der Kommodenschublade. Dann ging er – mit einem Hammer in der Hand – zur Pension frühstücken. Er hatte die beiden vergoldeten Masken über dem Sofa aufgehängt, zwischen zwei Tourismuspostern, und neben ihren eleganten Formen wirkten die soliden, praktischen Möbel noch karger.
Im Sonnenzimmer nickte er ein paar anderen Gästen höflich zu und setzte sich an einen kleinen Tisch in einer Ecke, wo er eine Karte vorfand, auf der in Loris Handschrift geschrieben stand:
GUTEN MORGEN
Montag, 9. Juni
Pekannuß-Pfannkuchen mit Ahornsirup
und
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