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Die Katze, die Domino spielte. Roman.

Die Katze, die Domino spielte. Roman.

Titel: Die Katze, die Domino spielte. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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graben!«

 
    Auf dem Heimweg von Harriet’s Familiencafé liefen vor Qwillerans geistigem Auge in rascher Folge die verschiedensten Bilder ab: die bärenstarke Harriet, die wie ein Pferd schuftete und dabei offenbar rundum glücklich und zufrieden war… Harriet mit ihrer schlappen Kochmütze… die junge Harriet, die sich mit geballten Fäusten auf einen Haufen Kinder stürzte. War sie ehrlich? Waren die Inselbewohner ehrlich? Sie weinen nie, hatte sie gesagt; sie tun, was sie tun müssen. Waren sie vor hundert Jahren fähig gewesen, das perfekte Verbrechen zu begehen? Sie hatten seit Generationen in Not und Entbehrung gelebt; sie waren gewiß mit allen Wassern gewaschen. Es war gut möglich, daß sie die Leuchtturmwärter unter dem Deckmantel der Freundschaft in den Tod gelockt hatten. (Ein paar Tassen Inselkaffee würden schon reichen!) Aber was für ein Motiv hatten sie? Und wo waren die Leichen?
    Nebel stieg vom See auf und legte sich über die dunkle Uferstraße. Die auf und ab hüpfenden Lichter in der Ferne, die aussahen wie ein Glühwürmchenschwarm, waren die Taschenlampen der Hotelangestellten, die zu ihren Schlafstätten zurückgingen. Sie schrien, lachten und sangen – ein ganz anderer Menschenschlag als die scheuen, wortkargen, ernsten Inselbewohner.
    Ein Sturm zog auf, daran bestand kein Zweifel. Mr. Harding konnte es in seinen Knochen spüren; Koko und Yum Yum fühlten es in ihrem Fell. Sobald Qwilleran nach seiner Ankunft im Sommerhäuschen vorsichtig in seinem Lehnstuhl Platz genommen hatte, kamen sie träge angetrottet, um sich dann wie zwei Zementsäcke auf seinen Schoß fallen zu lassen. Selbst Koko, der normalerweise keine Schoßkatze war, hatte das Bedürfnis nach Nähe. Die Katzen konnten wie Barometer zu feuchtes und zu windiges Wetter vorhersagen. Eine schwere Katze bedeutete einen feuchtschwülen Regenguß; eine Katze, die durchdrehte, bedeutete einen aufziehenden Orkan.
    Mit seiner schweren Last auf dem Schoß versank Qwilleran – die Füße hoch- und den Kopf zurückgelegt – im Sitzpolster und hing tiefsinnigen Gedanken nach: Was würde Lori am Dienstag zum Frühstück servieren? Wann würde er von Polly hören? Wer hatte wohl das Baseballspiel in Minneapolis gewonnen?… Dann folgten noch tiefergehende Grübeleien: Warum hatte die elegante Noisette in diesem Provinzferienort einen Laden aufgemacht? Genauer gesagt, was für eine Art Geschäft betrieb sie eigentlich? War diese Explosion auf dem Boot wirklich ein Unfall gewesen? Wer hatte mit dem Hotelgast, der tot im Swimmingpool aufgefunden worden war, getrunken? Wie konnte verdorbenes Hühnerfleisch von der Nase eines guten Küchenchefs unentdeckt bleiben? Roch es denn nicht? Wo konnte man einen Informanten finden – einen Insider –, der dem Klatsch nachgehen und neugierige Fragen stellen würde, ohne Mißtrauen zu erregen?
    Bevor er sich Antworten überlegen konnte, döste er ein und schlief tief und fest, bis er von einem entsetzlichen Getöse aus dem Schlaf gerissen wurde. Es hörte sich an, als ob eine Lokomotive durchs Haus brauste! Danach folgte tödliche Stille. Hatte er das Geräusch womöglich geträumt? Dagegen sprach, daß die Katzen aufmerksam auf dem Wandschrank in der Kochnische saßen. Dann wurde die Grabesstille von einem weiteren ohrenbetäubenden Laut durchbrochen. Es war das Nebelhorn der Frühstücksinsel, am Lighthouse Point. Vom See aus war es dreißig Meilen weit zu hören, und im Augenhof klang es, als stünde es direkt hinter dem Haus. Jetzt verstand Qwilleran, warum sich unter den lebensnotwendigen Dingen auch Ohropax befand. Die Katzen kamen von ihrem erhöhten Platz herunter und schliefen die übrige lärmerfüllte Nacht durch friedlich weiter. Lori, die alles über Katzen wußte, erklärte Qwilleran am nächsten Tag, daß sie das regelmäßige Dröhnen des Nebelhorns an den Herzschlag ihrer Mutter erinnerte, den sie im Mutterleib gehört hatten.
    Als er zum Frühstück ging, war er froh über den grünweißen Golfschirm, der im Häuschen bereitstand. Auf der Veranda der Pension lehnten noch zwei weitere tropfnasse Regenschirme, und seine Nachbarn vom Augenhof saßen an einem großen runden Tisch.
    »Bitte, leisten Sie uns doch Gesellschaft«, sagte Mr. Harding. Bei dem feuchten Wetter wirkte er noch würdevoller und steifer als sonst. Er stellte das andere Paar vor – die beiden waren frischverheiratet und wohnten in Zwei Augen.
    »Wir reisen heute ab«, sagten sie. »Wir müssen bis zum Wochenende

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