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Die Katze, die Domino spielte. Roman.

Die Katze, die Domino spielte. Roman.

Titel: Die Katze, die Domino spielte. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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Kaninchenjagd?«
    »Damals haben die Leute mit Fallen gejagt. Alles, was sie sonst noch brauchten, haben sie durch den Handel mit dem Festland bekommen. Sie haben vor allem Fische verkauft und Sachen, die am Seeufer angespült wurden. Mein Pa hat aus angeschwemmtem Holz ein Boot gebaut.«
    »Lebt er noch?« fragte Qwilleran; er dachte, daß er vielleicht einer der wortkargen Droschkenkutscher war.
    »Er ist ertrunken, als er versuchte, vor einem Sturm seine Netze einzuholen.« Sie sagte es völlig emotionslos.
    »Und Ihre Mutter?«
    »Ma ist noch da. Sie verwendet noch immer Öllampen. Hat die Insel ihr ganzes Leben nicht verlassen – nicht mal einen Tag. Genausogut könnte sie auf dem Mond leben.«
    »Aber jetzt können die Inselbewohner doch sicher auch Strom beziehen. Im Ferienzentrum gibt es Strom. Und die Sommerhäuser sind schon lange elektrifiziert.«
    »Schon, aber viele Leute hier können sich keinen Strom leisten. Viele hier bereiten noch immer ihre eigene Medizin aus wilden Pflanzen zu. Meine Ma erinnert sich noch an die Zeit, als es hier noch keine Schule gab. Jetzt haben wir eine einklassige Schule. Ich bin dort acht Jahre lang unterrichtet worden – wir saßen alle im selben Raum mit nur einem Lehrer.«
    Sie prahlte geradezu damit.
    »Wie haben Sie es geschafft, auf die High-School zu gehen?«
    »Ich habe bei einer Familie auf dem Festland gewohnt.«
    »Hatten Sie Probleme, sich an eine andere Art von Schule anzupassen?«
    »Und wie. Es war schwer. In manchen Dingen war ich den Kindern vom Festland voraus, sagten die Lehrer, aber die Inselbewohner wurden für dumm gehalten, und wir wurden mit allen möglichen Schimpfnamen belegt.«
    »Wie ging es Ihnen dabei?« fragte Qwilleran teilnahmsvoll.
    »Es machte mich rasend! Mußte sie etliche Male verprügeln.« Harriet ballte die Hand zu einer eindrucksvollen Faust.
    Er sah diese Amazone erstaunt und wider Willen bewundernd an. »Sie müssen sehr stark sein.«
    »Man muß stark sein, um hier zu leben.«
    »Wo wohnen denn die Inselbewohner? Ich sehe keine Häuser.«
    »In Providence Village, in den Wäldern.«
    »Ist das die Siedlung, die die Leute vom Festland Piratetown nennen?«
    »Ja, genau. Und das macht mich auch rasend!« Die geballte Faust knallte auf die Tischplatte, daß das Geschirr hüpfte.
    »Wie stehen denn Ihre Leute zu dem neuen Ferienzentrum?«
    »Sie haben Angst. Sie glauben, daß sie von der Insel vertrieben werden, so wie sie vom Westufer verjagt wurden, als die reichen Leute kamen.«
    »Was halten sie von den Touristen?«
    »Sie mögen sie nicht. Manche Touristen sind überheblich… rüpelhaft… halb nackt. Die letzten paar Wochenenden campierten einige Touristen beim Leuchtturm und ließen Drachen steigen, die so groß waren, daß man darin fliegen konnte.«
    »Gleitschirmflieger«, nickte Qwilleran. »Betrachtete man das als anstößig?«
    »Nun… sie saßen ohne Kleider herum, tranken Bier und spielten laut Radio.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ein paar Kaninchenjäger haben sie gesehen… Wollen Sie noch Kaffee?«
    Zum ersten Mal in seinem Leben lehnte Qwilleran eine zweite Tasse Kaffee ab; sein Kopf dröhnte wie von Trommelschlägen. »Was halten Sie persönlich vom Pear Island Hotel?« fragte er.
    »Sie machen viel zu viel Getue um Piraten. Das macht mich wütend!«
    »Wollen Sie damit sagen, daß es in der Geschichte der Insel keine Piraten gegeben hat? Vielleicht waren sie ja da, bevor ihre Vorfahren hierherkamen.«
    Harriet machte ein grimmiges Gesicht und schlug auf den Tisch. »Alles Lügen! Alles erstunken und erlogen!«
    Er hielt es für angebracht, das Thema zu wechseln. »Beim Leuchtturm ist eine Plakette zu Ehren von drei Leuchtturmwärtern. Wissen Sie, was mit ihnen passiert ist?«
    »Das weiß niemand«, sagte sie geheimnisvoll. »Ich könnte Ihnen die Geschichte erzählen, wenn Sie sie hören wollen.«
    Die Trommeln in Qwillerans Kopf verstummten, und er war auf einmal wieder voll da. »Ich würde sie sehr gern hören, aber Sie haben einen langen, harten Tag hinter sich. Sie wollen wahrscheinlich nach Hause gehen.«
    »Ich gehe nicht nach Hause. Mein Bett steht oben.«
    »Dann gestatten Sie mir, Sie an Ihrem freien Tag zum Mittagessen einzuladen. In den Korsarensaal.«
    »Ich habe keinen freien Tag. Ich arbeite sieben Tage in der Woche. Warten Sie, ich hole mir noch eine Tasse Kaffee. Und Sie wollen wirklich keine zweite Tasse?« Qwilleran hatte das Gefühl, auf einen vergrabenen Schatz gestoßen zu sein. Homer

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