Die Katze, die Domino spielte. Roman.
quietschten hörbar; ansonsten herrschte einsame Stille. Im Wald sah man ab und zu eine wackelige Hütte oder ein eingestürztes Dach, aber von Menschen war keine Spur. Immer tiefer in den Wald hinein folgte die Straße einem gewundenen Pfad zwischen den riesigen Bäumen durch. Qwilleran mußte sich bewußt daran erinnern, ab und zu tief Atem zu holen.
Ein Stück weiter tauchten allmählich einzelne Behausungen auf – armselige Hütten, die aus Teilen von zerschellten Schiffen oder aus vor langer Zeit von fernen Ufern angeschwemmten Trümmern zusammengenagelt worden waren. Einige hatten kleine Höfe mit Zäunen aus unförmigen Pfählen aus Treibholz, die zwei oder drei grobgehauene Gratsteine umgaben. Aber es gab auch Zeichen von lebenden Menschen. Auf einer Wäscheleine hingen einsam und verlassen ein paar Kleidungsstücke; vor einer Tür schlief ein alter Hund; auf der Straße pickten Hühner herum, und in einen Vorgarten knabberte eine Ziege am Unkraut. Einmal huschte eine Katze über die Straße und wich dabei den Hufen des Pferdes aus. Ein paar Kinder, die in einem Hof spielten, flitzten davon, als sich der Wagen näherte. Ab und zu sah man hinter einem Fenster eine Bewegung, wenn irgend jemand hinaus auf die Fremden spähte. Irgendwo krähte ein Hahn.
An einer Stelle wurde die Straße etwas breiter, und ein kleines, aber solide gebautes Schulhaus mit Außentoiletten für Jungen und Mädchen kam in Sicht; die Wände waren mit Aluminium aus Regierungsbeständen verkleidet. Daneben stand ein verwittertes Gebäude, das aussah wie der Geist eines alten Gemischtwarenladens; davor stand eine Bank, auf der zwei hagere alte Männer saßen und dem vorbeirollenden Wagen hinterher starrten. Ein weiteres Gebäude präsentierte sich prächtig mit weißgetünchter Fassade, aber nur an der Vorderseite; über der Tür hing ein Kreuz.
Danach kamen weniger Häuser und mehr freie Flächen mit sonnenbeschienenen Flecken, bis die Straße an einer riesigen Düne zu Ende war. Hier gabelte sich der Weg und führte nach rechts auf den Kiesstrand und nach links in ein dichtes Gestrüpp aus Unkraut und Unterholz.
Liz sagte »Brrr« zum Pferd und meinte: »Der Weg über diese Spurrillen war anstrengend. Lassen wir es ein wenig ausruhen.«
Und was jetzt?, dachte Qwilleran; sie schien nicht nur das Wohl des alten Kleppers im Sinn zu haben. Sie wirkte gedankenverloren. Er sagte: »Das war ein faszinierendes Erlebnis. Man kann kaum glauben, daß die Leute so leben. Was ist das für ein zugewachsener Weg auf der linken Seite?«
»Das war einmal die Abkürzung der Dorfbewohner zum Westufer. Als der Grand Island Club gebaut wurde, wurde die gesperrt.«
Er suchte nach einem Thema, das ihre Aufmerksamkeit weckte. »Das muß die Düne sein, auf der vorige Woche der Mann erschossen wurde.« Dann sagte er sich: Diese Frau liest ja nicht mal Zeitung; vielleicht weiß sie gar nichts von dem Vorfall.
Unvermittelt wandte Liz sich ihm zu. »Qwill, ich glaube, diese Schlange hat mir mein Schutzengel geschickt, damit ich Sie kennenlerne.«
»Das ist ein charmantes Kompliment«, sagte er steif, »aber für dieses zweifelhafte Vergnügen haben Sie einen hohen Preis bezahlt.« Er hoffte, dieses Bekenntnis würde nicht in Peinlichkeiten enden.
Ganz ernsthaft sagte sie: »Seit mein Vater gestorben ist, hatte ich niemanden, dem ich mich anvertrauen kann.«
»Beunruhigt Sie etwas?«
»Genau hier an dieser Stelle hatte ich vor ein paar Jahren ein furchtbares Erlebnis, und ich habe keinem davon erzählt.«
»Wie alt waren Sie da?«
»Sechzehn.«
Qwilleran platzte fast vor Neugier, doch er sagte beiläufig: »Wenn es Ihnen hilft, darüber zu sprechen, höre ich Ihnen gern zu.«
Sie überlegte ein paar Minuten; mit dem alten Hut ihres Vaters war sie eine tragische Figur. »Also, ich verbrachte mit meiner Mutter den Sommer hier. Vater war gerade erst gestorben, und ich fühlte mich sehr einsam! Dann kam mein Bruder Jack für ein paar Wochen her. Mutter hatte eben erst eine große Abfindung gezahlt, damit er seine erste Frau loswurde, und gleich darauf hatte er wieder geheiratet. Mutter regte sich sehr darüber auf, aber Jack war ihr Liebling, und wenn er ihr schöntat, konnte er sich alles erlauben.« Ihre Gedanken verloren sich in Erinnerungen an die Ränke und Intrigen in ihrer Familie.
Qwilleran brachte sie sanft zum Thema zurück. »Also kam er für ein paar Wochen her und wohnte in The Pines.«
»Er tat Buße. Er ging Mutter und sogar mir um den
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