Die Katze, die für Käse schwärmte
Beide Katzen wichen etwa fünf Millimeter zurück und betrachteten weiterhin mit halbgeschlossenen Augen den verbotenen Käse.
»Freche kleine Teufel«, sagte Brodie. »Ich wette, Sie verwöhnen sie nach Strich und Faden.«
»Probieren Sie diesen Käse, Andy. Es ist ein Schweizer Käse vom neuen Sip’n’Nibble-Laden in der Stahles Row. Zwei Typen aus dem Süden unten führen ihn. Sie nennen sich Jerry Sip und Jack Nibble. Jerry ist der Weinexperte, und Jack weiß alles über Käse.«
»Geben Sie mir ein Stück. Und dann erzählen Sie mir, wie Sie diese Frau kennengelernt haben.«
»Es war ein verrückter Zufall. Ich hatte sie zwar noch nie gesehen, aber gestern haben sie in der Redaktion über sie geredet und erwähnt, daß sie einen dunkelblauen Mietwagen fährt. Und als ich heute nachmittag zu einer Routinekontrolle zur Hütte fuhr, stand auf meinem Parkplatz ein dunkelblauer zweitüriger Wagen! Mein Auto bäumte sich fast auf seinen Hinterrädern auf! Die Frau saß am Fuß der Düne auf meinem Strand und las ein Kochbuch. Also dachte ich mir, daß sie nicht gefährlich sein könne.«
Brodie brummte in Abständen, während Qwilleran ihm die ganze Geschichte erzählte. »Sie hat sich erboten, mir gefüllte Weinblätter zu machen, wenn ich die Zutaten kaufen würde, und damit war ich gerade beschäftigt, als die Bombe explodierte.«
Der Polizeichef gluckste. »Sie wollte Ihren Wagen aus der Zufahrt weghaben, damit sie abhauen konnte.«
»Das habe ich zuerst auch gedacht. Ein paar Minuten kam ich mir wie eine totale Niete vor. Dann wurde mir klar – und meiner Meinung nach war es auch so –, daß sie die Meldung im Radio gehört hat und schnell aus der Stadt verschwinden mußte. Aus irgendeinem Grund wußte sie, daß die Bombe ihr gegolten hatte. Ich rief am Flughafen an und erfuhr, daß sie das Auto zurückgegeben und den Shuttleflug genommen hatte.«
Brodie sagte: »Vielleicht ist sie so schnell verschwunden, weil sie an dem Anschlag beteiligt war. Sie war ja günstigerweise nicht in dem Gebäude – und versteckte sich auf Ihrem Grundstück –, als die Bombe hochging.«
Qwilleran strich sich kräftig über den Schnurrbart, wie immer, wenn sich sein sechster Sinn meldete. Ein Ziehen an seiner Oberlippe war das Zeichen, daß er auf der richtigen Spur war. »Ich bleibe dabei, Andy, daß sie auf der Flucht ist und untertauchen will. Normalerweise gibt es keinen sichereren Ort zum Untertauchen als diese Gegend hier, aber da ist noch etwas. Als ihr der Wind die Haare aus dem Gesicht blies, sah ich vor ihrem rechten Ohr eine lange, senkrechte Narbe.«
»Die könnte von einem Autounfall stammen«, meinte Brodie. »Welchen Namen hat sie Ihnen gesagt?«
»Nur ihren Vornamen: Onoosh.«
»Onoosh? Was ist das für ein Name? Im Hotel hat sie sich als Ona Dolman eingetragen.«
Eine dunkelbraune Pfote glitt langsam und verstohlen über die Kante des Couchtisches.
»Nein!« brüllte Qwilleran, und die Pfote wurde rasch zurückgezogen.
»Ich wußte gar nicht, daß Katzen Käse mögen«, sagte der Polizeichef, der glaubte, daß Katzen von Nagetieren und Fischköpfen leben.
»Seit das neue Geschäft eröffnet wurde, sind beide Katzen geradezu süchtig nach Käse«, sagte Qwilleran.
»Nun, ich glaube, wir werden Ona Dolman nie wiedersehen, aber damit können wir leben. Das Schlimme dabei ist der Mord an diesem unschuldigen Mädchen – Anna Marie Toms. Ich kenne die Familie – anständige Leute! Nicht jeder, der in Chipmunk wohnt, kommt mit dem Gesetz in Konflikt. Sie war gewissermaßen die Verlobte von Lenny Inchpot, Lois’ Sohn. Wenn sie es wollen, werde ich bei ihrem Begräbnis Dudelsack spielen.«
»Wissen Sie genau, wie es passiert ist, Andy?«
»Das wird erst später bekanntgegeben, aber ich erzähle es Ihnen jetzt – es bleibt unter uns.« Brodie hatte allmählich begriffen, daß der Journalist aus dem Süden unten vertrauenswürdig und nützlich war. Qwillerans Erfahrung als Polizeireporter in Großstädten im ganzen Land hatten ihm Einblicke in die polizeilichen Ermittlungsmethoden gewährt, und sein natürlicher Drang, sich als Schnüffler zu betätigen, hatte schon häufig Dinge ans Licht gebracht, die für die offiziellen Ermittler von Nutzen waren. Wenn er diesem Hobby frönte, blieb Qwilleran gerne im Hintergrund, gab den Behörden Tips und verzichtete auf öffentliche Anerkennung. Brodie hingegen schätzte seine Mitarbeit und ließ ihm gelegentlich – über seine Tochter, die Innenausstatterin
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