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Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Titel: Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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Parade, die an ihm vorüberzog: Seltsam gekleidete junge Menschen, alte Leute, von denen einige in einem jämmerlichen Zustand waren, eine exotische Schönheit in einem Sari, ein Typ, der einen Käfig mit einem Ara trug.
    Als zwei gutgekleidete junge Männer mit einer kleinen, goldenen Tragetasche vom exklusivsten Konfekterzeuger der Stadt kamen, sah er ihnen nach, wie sie zu der polierten bronzenen Fahrstuhltür gingen und den Privataufzug holten, und er begann Mutmaßungen über die ›Gräfin‹ anzustellen. Die geheimnisvolle Fünfundsiebzigjährige, die Besuch von Männern bekam, die Dinner Jacketts trugen oder Geschenke brachten, kam ihm vor wie Lady Hester Stanhope in Eothen von Kinglake, einem Buch, das er den Katzen vorgelesen hatte. Lady Hester lebte in einem verfallenen Kloster im Nahen Osten, ernährte sich nur von Milch und wurde von den Wüstenstämmen abgöttisch verehrt. War die Gräfin die Lady Hester des verfallenen Casablanca?
    Dann kam Amberina die Treppe heruntergelaufen und unterbrach den Höhenflug seiner Phantasie. »Tut mir leid, daß ich zu spät komme. Ich habe eine Kontaktlinse verloren, und ich schaffte es einfach nicht schneller.«
    Er sagte: »Wer sind diese gutgekleideten Männer, die mit dem Aufzug der Gräfin auf- und abfahren?«
    »Ihre Bridgepartner«, erklärte sie. »Sie spielt leidenschaftlich gerne Karten.«
    Amberina hatte sich seit ihrer letzten Begegnung vor drei Jahren verändert. Ihr auffallend brünettes Haar hatte jetzt eine andere Farbe und eine andere Fasson – es war heller, roter und krauser. Sie hatte zugenommen, und ihre Grübchen waren nicht mehr so verführerisch. Er war enttäuscht, doch er sagte: »Schön, Sie wiederzusehen, Amberina. Sie sehen sehr gut aus!«
    »Sie auch, Mister Qwilleran, und so rustikal!« Er trug seine Tweedjacke mit den Lederflicken und halbhohe Stiefel.
    Sie gingen hinaus und stiegen vorsichtig im Zickzack über die zerbrochenen Marmorstufen. »Man sollte diese Stufen reparieren lassen, bevor jemand hinfällt und die Gräfin verklagt.«
    »Sinnlos, etwas zu reparieren, wenn das ganze Haus vielleicht schon nächste Woche abgerissen wird«, sagte sie mit einem bitteren Unterton. »Wir drücken alle die Daumen, daß nichts Furchtbares passiert. Mary sagt, die Stadtverwaltung wäre begeistert, wenn bei einem Unfall mit dem Aufzug sechs Mieter ums Leben kämen, oder wenn bei einer Explosion des Dampfkessels alle Leute im Erdgeschoß gekocht würden. Dann könnten sie das Haus auf die Abbruchliste setzen und für ein Hotel, das Milliarden kostet, höhere Steuern einstreichen. Ich hoffe, Ihre Leute entschließen sich, das Casablanca zu kaufen, Mister Qwilleran.«
    Jetzt spazierten sie die neuen, mit Pflastersteinen ausgelegten Gehsteige von Junktown entlang, die von frisch gepflanzten Bäumen gesäumt und von altmodischen Gaslaternen beleuchtet wurden. Qwilleran sagte: »Genau das hat C. C. Cobb vor drei Jahren gewollt, und damals hat ihm die Stadt nur Steine in den Weg gelegt.«
    Die billigen Geschäftsfassaden, mit denen frühere Hausbesitzer die historischen Stadthäuser verkleidet hatten, waren abgerissen worden. Man hätte nicht sagen können, wo der alte Obst- und Tabakkiosk gestanden hatte oder der Perücken- und Wahrsagerladen. Neue Besitzer hatten auf wundersame Weise die ursprünglichen Steinstufen, Eisengeländer und imposanten Eingangstore wiederhergestellt. Wo einst in einem alten Stall ein Möbelrestaurateur seine Werkstatt gehabt hatte, befand sich jetzt ein hell erleuchtetes Kaffeehaus mit dem Namen Carriage House Café.
    »Erzählen Sie mir etwas über dieses Restaurant, in das wir gehen. Was für ein Lokal ist ›Roberto‹?«
    »Sie wissen doch – nicht wahr? – daß Robert Maus ein Restaurant eröffnen wollte, als er den Anwaltsberuf an den Nagel hängte. Nun, er ging nach Italien und arbeitete ein Jahr lang in einem Restaurant in Mailand. Als er zurückkam, kochte er italienisch und hatte seinen Namen in Roberto geändert.«
    »Ich hoffe, er hat seinen Familiennamen nicht auf ›Mausolini‹ geändert.«
    Amberina prustete laut heraus. »Warten Sie, wenn Mary das hört! Sie wird es nicht lustig finden. Sie ist sehr ernst, Sie wissen ja.«
    »Ich weiß. Er auch.«
    »Nun, jedenfalls hat er in einem der alten Stadthäuser ein italienisches Restaurant eröffnet – Mary hat ihn dazu überredet, glaube ich – und wohnt über dem Lokal. Ich habe noch nie dort gegessen – es ist zu teuer –, aber Mary sagt, das Essen ist

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