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Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Titel: Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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geduscht, da wurde das Wasser auf einmal kalt, eiskalt!«
    »Das passiert«, sagte sie. »Das ist nun mal ein altes Haus. Offenbar hat jemand in der Nachbarwohnung gleichzeitig zu duschen begonnen.«
    »Sie meinen, ich muß meinen Duschplan mit vierzehn-B abstimmen?«
    »Ich glaube, da brauchen Sie sich keine allzu großen Gedanken zu machen«, sagte sie beruhigend.
    Stimmt, dachte er. Vielleicht reißen sie schon nächste Woche das Haus ab. »Wer wohnt auf vierzehn-B?«
    Mrs. Tuttle sagte etwas, das klang wie Keestra Hedrog, und als er sie bat, den Namen zu wiederholen, klang es noch immer wie Keestra Hedrog. Er schnaubte in seinen Schnurrbart und legte auf.
    Er trocknete sich ab, zog seinen alten Plaid-Bademantel mit dem Schottenkaro des Mackintosh-Clans an (seine Mutter war eine Mackintosh gewesen) und aß gerade noch einen Apfel, als aus der Nachbarwohnung unglaubliche Laute drangen – es hörte sich an, als ob ein Hundertmannorchester die Instrumente für Tschaikowskis 1812 Ouvertüre stimmte. Die Katzen drehten nervös die Ohren hin und her – das linke und das rechte Ohr jeweils in eine andere Richtung. Ihm wurde klar, daß sie da ein Stück hörten, das für einen Synthesizer geschrieben worden war, eine Art Musik, die er noch nicht zu schätzen gelernt hatte. Ihm wurde auch klar, daß die Wände zwischen 14-A und 14-B bedauernswert dünn waren – wohl eine Sparmaßnahme aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Als er sich fertig angezogen hatte, hörte die Musik jedoch auf. Wieder fiel eine Tür ins Schloß, und sein Nachbar ging weg, wohl um den Abend außer Haus zu verbringen.
    Wie immer sah er noch einmal nach den Katzen; Yum Yum war im Schlafzimmer und schnupperte das Wasserbett ab, doch Koko war nirgends zu sehen. Er rief ihn, erhielt aber keine Antwort. Einen schrecklichen Augenblick lang überlegte er, ob der Kater vielleicht ein geheimes Schlupfloch entdeckt hatte. Er lief durch alle Zimmer, rief und suchte nach dem Kater und machte sich Sorgen. Erst als er zur Sitzecke hinunterstieg, entdeckte er Koko.
    Die zweieinhalb Meter lange Bar stand an ziemlich auffallender Stelle in der Mitte der Vertiefung. Dieses Möbelstück schnüffelte Koko jetzt konzentriert ab. Qwilleran selbst hatte seit etlichen Jahren keinen Alkohol mehr angerührt, und wenn er seinen Gästen alkoholische Getränke anbot, zeigte Koko keinerlei Interesse daran, außer, er fand zufällig eine verirrte, mit Anchovis gefüllte Olive. Warum inspizierte er dann so angelegentlich diesen lederverkleideten Schnapsschrank mit Teakholzplatte? Koko hatte immer einen guten Grund für das, was er tat, wenn er auch nicht immer leicht zu erkennen war.
    Qwilleran öffnete die Laden und Türen der Bar: Sie enthielten Karaffen, Gläser, Meßbecher, Korkenzieher, Rührstäbe, Servietten und so weiter. Sonst nichts.
    »Tut mir leid, Koko«, sagte er. »Keine Anchovis. Keine Mäuse. Keine Leichen.«
    Der Kater ignorierte ihn. Er schnüffelte den Sockel der Bar ab und fuhr mit zuckender Nase den Spalt entlang, wo das Möbelstück und der Fußboden aufeinandertrafen, als wäre irgendein kleiner Gegenstand darunter gerutscht. Qwilleran berührte zweifelnd seinen Schnurrbart – seine Neugier war geweckt. Es war eine schwere Bar, aber wenn er seine Schulter gegen ein Ende stemmte, konnte er sie über den dicht gewebten Teppich schieben. Als sich das Möbelstück zu bewegen begann, wurde Koko aufgeregt und hüpfte aufmunternd vor und zurück.
    »Wenn jetzt eine anchovisgefüllte Olive zum Vorschein kommt«, sagte Qwilleran, »dann hast du es dir mit mir verscherzt!« Er schob noch einmal. Die schwere Bar war nur zentimeterweise zu bewegen.
    Dann begann Koko zu maunzen. Auf dem hellen Teppich war eine dunkle Linie erschienen. Je stärker Qwilleran mit der Schulter anschob, um so breiter wurde sie – immer breiter, bis ein großer, dunkler Fleck zu sehen war.
    »Blut!« sagte Qwilleran.
    »Yau!« sagte Koko. Er machte einen Buckel, versteifte die Beine, krümmte den Schwanz und lief tänzelnd im Kreis herum. Qwilleran hatte diesen Tanz schon gesehen – Kokos Totentanz. Und dann drang tief aus Kokos Brust ein neuer Laut: Kein Knurren, aber tiefer als Schnurren. Es hörte sich an wie »Rrrrrrrrrr!«

 
    Bevor Qwilleran aufbrach, um mit Amberina essen zu gehen, führte er noch ein Ferngespräch. Es war Sonntagabend, und Polly Duncan war gewiß daheim und wartete auf Nachricht. Er hielt es für ratsam, den Bericht optimistisch zu gestalten: Ja, die Fahrt war

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